Black Dagger 10 - Todesfluch
Vögel«, sagte seine Mutter mit seltsamer, entrückter Stimme, »sind wahrlich meine einzige Freude. Weißt du, warum?«
»Nein.«
»Sie bitten mich um nichts und geben mir so viel.«
Damit wandte sie sich ihm zu und begann mit ihrer tiefen Stimme: »Dies ist der Tag deiner Geburt, Vishous, Sohn des Bloodletter. Du hast den Zeitpunkt sorgfältig gewählt.«
Oh, eigentlich nicht. Gütiger, er hatte völlig vergessen, was für ein Tag heute war. »Ich – «
»Und da ich dich am heutigen Tag vor dreihundertunddrei Jahren auf diese Welt brachte, fühle ich mich geneigt, dir den Gefallen zu gewähren, um den du mich ersuchst, wie auch den, der bislang noch unausgesprochen blieb, wenngleich er so augenfällig ist wie der aufgehende Mond an einem leeren Himmel.«
Vs Augen flackerten. Hoffnung, eine gefährliche Empfindung selbst in den besten Momenten, regte sich mit einem Funken Wärme in seiner Brust. Im Hintergrund zwitscherten die Vögel und sangen fröhlich, als erahnten sie sein Glück.
»Vishous, Sohn des Bloodletter, ich werde dir die Erfüllung der beiden Wünsche schenken, nach der du dich so sehr sehnst. Ich werde die Einsetzung deines Bruders Phury in die Zeremonie gestatten. Er wird ein guter Primal sein, sanft und gütig zu den Auserwählten, und er wird eine gute Blutlinie für die Spezies sicherstellen.«
V schloss die Augen, Erleichterung durchflutete ihn mit einer solch mächtigen Welle, dass er ins Schwanken geriet. »Danke …«, flüsterte er, mehr an den Wandel seines Schicksals
gerichtet als an sie, auch wenn sie die Lenkerin dieses Wandels war.
»Deine Dankbarkeit ist gebührend.« Die Stimme seiner Mutter verriet nicht die mindeste Regung. »Gleichzeitig erscheint sie mir eigenartig. Doch sind nicht Geschenke wie die Schönheit, und ihre Wirkung liegt in den Augen des Betrachters? Das habe ich nun gelernt.«
V warf ihr einen Seitenblick zu, um Selbstbeherrschung bemüht. »Er wird kämpfen wollen. Mein Bruder – er wird kämpfen und auf der Abgewandten Seite leben wollen.« Denn es käme für Phury auf keinen Fall infrage, Bella niemals wiederzusehen.
»Und das werde ich gestatten. Zumindest, bis die Reihen der Bruderschaft sich wieder füllen.«
Mit leuchtenden Händen hob die Jungfrau der Schrift ihre Kapuze und bedeckte ihr Gesicht damit. Dann schwebte sie lautlos über den Marmor zu einer kleinen weißen Tür, von der er immer angenommen hatte, sie führe in ihre Privatgemächer.
»Wenn ich es wagen darf«, rief er ihr nach. »Die zweite Bitte?«
Sie verharrte vor dem kleinen Tor. Ohne ihn anzusehen, sagte sie: »Ich sage mich von mir los. Du bist frei von mir und ich von dir. Lebe wohl, Krieger.«
Damit verschwand sie durch die Tür und schloss ihn aus, er hörte einen Riegel zuschnappen. Ohne sie verstummten die Vögel, als hätte nur ihre Anwesenheit sie zum Singen veranlasst.
V stand im Hof und lauschte dem leisen, plätschernden Wasser im Springbrunnen.
Ganze sechs Tage hatte er eine Mutter gehabt.
Er konnte nicht behaupten, dass er sie vermisste. Oder dass er ihr dankbar dafür war, ihm sein Leben zurückgegeben
zu haben. Immerhin war sie es gewesen, die ihm alles wegzunehmen versucht hatte.
Als er sich wieder auf dem Anwesen materialisierte, um seinen Bericht abzuliefern, stellte er fest, dass er sich in jedem Fall für Jane entschieden hätte, selbst wenn seine Mutter Nein gesagt hätte. Gleich, was es ihn gekostet hätte.
Und das hatte die Jungfrau der Schrift von Anfang an gewusst. Weshalb sie ihn auch aufgegeben hatte.
Egal. Das Einzige, was ihm wirklich etwas bedeutete, war Jane. Die Lage wurde langsam wieder rosiger, aber noch war er nicht über den Berg. Sie konnte immer noch ablehnen. Sie konnte gut und gerne das Leben, das sie kannte, der gefährlichen Halbexistenz an der Seite eines Vampirs vorziehen.
Aber verdammt nochmal, er wollte, dass sie sich für ihn entschied.
Gerade nahm V in seinem Zimmer Gestalt an und dachte an die letzte Nacht mit Jane … als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er das Unverzeihliche getan hatte: Er war in ihr zum Ende gekommen. O nein. Er war so in seine eigenen Gedanken verstrickt gewesen und hatte dabei völlig vergessen, dass er etwas von sich selbst zurückgelassen hatte. Sie musste inzwischen halbwahnsinnig sein.
Er war so ein Scheißkerl. Ein rücksichtsloser, selbstsüchtiger Scheißkerl.
Und er glaubte tatsächlich, er hätte ihr etwas zu bieten?
19
Als die Nacht hereinbrach, zog Phury seine weiße Seidenhose
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