Black Dagger 17 - Vampirschwur
fähig.
Im zehnten Stock verflüchtigte sie sich erneut durch eine Feuerschutztür und gelangte in den Verwaltungsbereich der Chirurgie. Hier herrschte ein Ambiente wie in einer Anwaltskanzlei, alles wirkte dunkel, gediegen und schweineteuer. Verständlich. Die Chirurgie war eine wichtige Einkommensquelle für jede Uniklinik, und viel Geld wurde investiert, um die genialen und arroganten Zöglinge zu rekrutieren, zu halten und zu beherbergen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Aufschneiden ihrer Mitmenschen verdienten.
Unter den Skalpellkünstlern im St. Francis war Manny Manello der Platzhirsch. Er war nicht nur Leiter der Fachabteilung, so wie Jane es gewesen war, sondern stand dem gesamten Verein vor. Und damit war er gefeierter Filmstar, Stabsfeldwebel und Präsident der Vereinigten Staaten in einem, fein säuberlich verpackt in einem ein Meter achtzig großen, gut gebauten Kerl. Er war schrecklich launisch, überaus intelligent und hatte einen Geduldsfaden von gerade mal einem Millimeter Länge.
An guten Tagen.
Und er war ein absolutes Juwel.
Seine Spezialität waren hochkarätige Berufssportler. Er hatte eine Menge Knie, Hüften und Schultern behandelt, die sonst das Ende für Football-, Baseball- und Hockeykarrieren bedeutet hätten. Aber er hatte auch reichlich Erfahrung mit der Wirbelsäule. Ein zusätzlicher Neurochirurg wäre zwar hilfreich gewesen, aber das, was Paynes Röntgenaufnahmen zeigten, war in erster Linie ein orthopädisches Problem, denn war das Rückenmark durchtrennt, half auch keine neurologische Behandlung mehr. So weit war die Medizin einfach noch nicht.
Als sie an der Empfangstheke vorbeikam, musste sie kurz anhalten. Links lag ihr altes Büro, in dem sie zahllose Stunden Papierkram erledigt und sich mit Manny und dem Rest des Teams besprochen hatte. Auf dem Namensschild neben der Tür stand jetzt THOMAS GOLDBERG, LEITER DER UNFALLSTATION.
Goldberg war eine ausgezeichnete Wahl.
Dennoch schmerzte es sie, das neue Schild zu sehen.
Aber hatte sie etwa erwartet, Manny würde ihren Schreibtisch und ihr Büro zu einer Gedenkstätte machen?
Das Leben ging weiter. Ihres. Seins. Das der Klinik.
Mit einem Tritt in den eigenen Hintern riss sie sich los und schritt weiter über den Teppich im Flur, während sie an ihrem weißen Kittel und dem Kuli in der Tasche herumfummelte, und an dem Handy, von dem sie noch keinen Gebrauch gemacht hatte.
Sie hätte jetzt keine Zeit, ihre rätselhafte Rückkehr von den Toten zu begründen oder Manny lang zu überreden, geschweige denn, die Verwirrung zu klären, die sie stiften würde. Denn sie hatte keine Wahl, sie musste ihn irgendwie dazu bewegen, mit ihr zu kommen.
Vor der verschlossenen Tür zu seinem Büro blieb sie stehen, stählte sich innerlich und stapfte dann einfach durch die …
Er saß nicht an seinem Schreibtisch. Auch nicht am Konferenztisch in der Nische.
Eilig warf sie einen Blick in seine Nasszelle … auch hier keine Spur von ihm, keine beschlagenen Glastüren oder feuchte Handtücher beim Waschbecken.
Zurück im Büro atmete sie tief durch … und schluckte, als sie den dezenten Duft seines Aftershaves in der Luft wahrnahm.
Gott, wie sie ihn vermisste.
Sie schüttelte den Kopf und ging um seinen Schreibtisch herum, um sich das Chaos darauf anzusehen. Krankenakten, stapelweise interner Schriftverkehr, Berichte von der Patientenvertretung und dem Ausschuss für Qualitätssicherung. Da es gerade mal kurz nach fünf an einem Samstagnachmittag war, hatte sie ihn eigentlich hier erwartet: Geplante Operationen fanden am Wochenende nicht statt, wenn er also nicht gerade Bereitschaft hatte und mit einem Unfallpatienten beschäftigt war, hätte er an seinem Schreibtisch sitzen müssen, um Ordnung in den Papierkram zu bringen.
Manny war ein absoluter Workaholic.
Sie verließ das Büro und überprüfte den Schreibtisch seiner Sekretärin. Auch hier keinerlei Hinweise auf Mannys Verbleib, da die gute Frau seinen Terminplan in ihrem Computer führte.
Als Nächstes sah sie unten in den OPs nach. Im St. Francis gab es die verschiedensten Operationssäle, geordnet nach Fachbereichen, und Jane machte sich auf den Weg zu dem, in dem er normalerweise operierte. Sie blickte durch die Fenster in den Schwingtüren und sah, wie an einer Rotatorenmanschette am Oberarm sowie an einem unschönen Mehrfachbruch gearbeitet wurde. Doch trotz des Mundschutzes und der Hauben der Chirurgen erkannte sie, dass keiner von ihnen Manny war. Seine
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