Black Dagger 19 - Liebesmond
raus, die sich dabei auffaltete, und legte sie wieder zusammen.
Eigentlich sollte ihm die Beschäftigung seiner Hände zur Konzentration verhelfen, aber es wollte nicht so recht funktionieren. Vielleicht sollte er einfach den Kopf gegen die Wand dreschen.
» Du verreist?«, fragte Tohr schließlich.
» Ja.«
» Gibst du mich etwa auf?«
» Ich habe es dir gesagt. Ich bestimme hier nicht die Regeln. Man wird mich abziehen, und das wird ziemlich bald sein.«
» Abziehen? Wohin?«
» Dahin, wo ich herkomme.« Lassiter durchfuhr ein Schauder, auch wenn es memmenhaft war. Aber eine Ewigkeit der Isolation war die Hölle für jemand wie ihn. » Es ist keine Reise, auf die ich mich freue.«
» Geht sie dahin, wo … Wellsie ist?«
» Wie ich schon sagte: Jeder hat sein eigenes Zwischenreich.«
Tohr vergrub das Gesicht in Händen. » Ich kann mich nicht einfach abschalten. Sie war mein Leben. Wie soll ich nur …«
» Es wäre ein Anfang, wenn du keinen Kastrationsversuch mit der Faust mehr unternimmst, sobald du wegen einer anderen einen Ständer hast.«
Als Tohr nicht antwortete, hatte Lassiter das Gefühl, dass der Kerl mit den Tränen kämpfte. Was für eine peinliche Situation. Verdammt.
Lassiter schüttelte den Kopf. » Ich bin der falsche Engel für diesen Job, im Ernst.«
» Ich habe sie nie betrogen.« Tohr atmete scharf durch die Nase ein, ein sehr männliches Schnaufen, sofern es so etwas gab. » Andere Vampire … selbst gebundene … sehen ab und zu einer anderen Frau hinterher. Vielleicht leisten sie sich auch mal einen kleinen Seitensprung. Ich nicht. Sie war nicht perfekt, aber sie hat mir immer vollkommen ausgereicht. Selbst als Wrath jemanden brauchte, der ein Auge auf Beth hatte – vor ihrer Vereinigung –, da hat er mich geschickt. Er wusste, dass ich mich nicht an ihr vergreifen würde, und das nicht nur aus Respekt ihm gegenüber, sondern weil ich nicht an ihr interessiert war. Es gab tatsächlich keinen einzigen Moment, in dem ich an jemand anderen gedacht hätte.«
» Heute Nacht schon.«
» Erinnere mich nicht.«
Zumindest gab er es zu. » Und aus diesem Grund stehe ich kurz vor meiner Reise ohne Wiederkehr. Und deine Shellan bleibt, wo sie ist.«
Tohr rieb sich das Zentrum seiner Brust, als würde es schmerzen. » Bist du dir sicher, dass ich nicht auch gestorben bin und in diesem Zwischenreich hänge? Denn das hier fühlt sich genauso an, wie du es beschrieben hast. Ich leide, aber es ist nicht der Dhunhd.«
» Keine Ahnung. Vielleicht ist manchen Leuten nicht bewusst, dass sie drinstecken – aber meine Anweisung war sonnenklar. Ich sollte dafür sorgen, dass du loslässt, damit sie weiterziehen kann.«
Tohr ließ die Hände sinken, als wäre er vollkommen fertig mit der Welt. » Ich hätte nie gedacht, dass es etwas Schlimmeres als ihren Tod geben könnte. Ich hätte mir keine Entwicklung vorstellen können, die noch mehr schmerzt«, fluchte er. » Aber das Schicksal scheint genauso sadistisch wie erfinderisch zu sein. Wer hätte das gedacht – ich soll irgendeine Frau vögeln, damit die, die ich liebe, in den Schleier kommt. Was für eine Gleichung. Einfach großartig.«
Und damit war es noch lange nicht getan, dachte Lassiter. Aber warum jetzt damit anfangen.
» Ich muss eines wissen«, sagte der Bruder. » Glaubst du als Engel, dass gewisse Leute von Anfang an verflucht sind? Dass das Leben mancher von Anbeginn dem Untergang geweiht ist?«
» Ich glaube …« Scheiße, tiefschürfende Gedanken waren nicht sein Ding, dafür war er einfach nicht der Typ. » Ich … äh, ich glaube, das Leben richtet sich nach einigen Parametern, die von vornherein für jedes Lebewesen auf diesem Planeten festgelegt sind. Der Zufall ist per Definition ungerecht, und er ist willkürlich.«
» Und was ist dann mit deinem Schöpfer? Spielt Er denn gar keine Rolle?«
» Unser Schöpfer«, murmelte er. » Ich weiß es nicht. Ich vertraue eigentlich niemandem.«
» Ein atheistischer Engel?«
Lassiter lachte kurz. » Vielleicht gerate ich deswegen immer wieder in Schwierigkeiten.«
» Nein. Das liegt daran, dass du ein echtes Arschloch sein kannst.«
Sie kicherten beide. Dann verfielen sie in Schweigen.
» Was muss also geschehen?«, fragte Tohr. » Im Ernst, was kann das Schicksal jetzt von mir verlangen?«
» Das Übliche. Blut, Schweiß und Tränen.«
» Ach so«, bemerkte Tohr trocken. » Und ich dachte, ein Arm oder ein Bein würde genügen.«
Als Lassiter nicht antwortete,
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