Black Dagger 19 - Liebesmond
die bald hier erscheinen würden.
Der Rat der Glymera hatte Xcor und seine Bande vollkommen abblitzen lassen. Keine Einladung zu einem Treffen. Keine Begrüßung durch den Leahdyre Rehvenge. Nicht einmal eine offizielle Reaktion auf seinen Brief vom Frühling.
Anfangs hatte ihn das rasend gemacht. Doch dann hatte ihm ein kleines Vögelchen ins Ohr gesungen, und ein anderer Pfad hatte sich aufgetan.
Die beste Waffe in einem Krieg war oftmals nicht der Dolch, die Pistole oder gar eine Kanone. Die beste Waffe war unsichtbar und tödlich – aber kein Giftgas. Sie wog überhaupt nichts und war doch unermesslich gewichtig.
Informationen, gesicherte Informationen aus verlässlicher Quelle im feindlichen Lager hatten die Schlagkraft einer Atombombe.
Sein Schreiben an den Rat war tatsächlich eingegangen, und was noch viel entscheidender war: Es wurde ernst genommen. Der große Blinde König hatte, obgleich er nichts verlauten ließ, sofort damit begonnen, sich mit den Oberhäuptern aller verbleibenden Familien zu treffen – persönlich, in ihren Häusern.
Ein mutiger Schritt in Zeiten des Krieges – und er bewies, dass ihn Xcors Herausforderung getroffen hatte: ein König setzte nicht sein Leben aufs Spiel, es sei denn, er hatte den Kontakt zu seinen Untertanen verloren und war gezwungen, ihn wieder aufzubauen.
Im Rückblick war dies sogar besser als ein Treffen mit dem Rat. Es waren nur noch wenige Mitglieder übrig, und ihre Wohnsitze waren alle bekannt. Wrath hatte schon mit den meisten Audienzen gehalten, und dank dieses Vögelchens wusste Xcor ganz genau, wer sie waren.
Xcor schwenkte das Fernglas leicht nach oben und betrachtete das Dach. Die Verandas. Den Kamin auf der ihm abgewandten Seite.
Laut Xcors Informant war Assail im Frühjahr zurückgekehrt und hatte diesen Schaukasten von einem Haus bezogen und … mehr wusste man in der Glymera auch nicht. Nun ja, abgesehen von der Merkwürdigkeit, dass Assail allein gekommen war – keine Familie, keine Angestellten, keine Shellan – und dass er für sich blieb. Beides ungewöhnlich für einen Angehörigen der Glymera, aber vielleicht wollte er erst einmal abwarten und sehen, wie sich die Dinge in der neuen Umgebung entwickelten, bevor er seine Familie zu sich holte und andere Vertreter der Glymera zu sich lud …
Es hatte doch noch einen jüngeren Bruder gegeben, oder? Ebenso verwöhnt von dieser Mutter, der Auserwählten. Vielleicht eine verrufene Halbschwester.
Hinter Xcor streckten sich seine Soldaten, ihre Lederkleidung knarrte, und ihre Waffen verrutschten. Über ihnen blitzte es weiter in den Gewitterwolken, doch das Donnergrummeln blieb in der Ferne.
Er hätte von Anfang an vorhersehen müssen, dass es darauf hinauslaufen würde: Wenn er Wrath vom Thron holen wollte, musste er ihn schon selbst stürzen. Von der Glymera etwas anderes zu erwarten als haltlosen Größenwahn war ein Fehler gewesen.
Zumindest hatte er beim Rat jetzt einen Fuß in der Tür. Denn wenn es nach dem Umsturz unappetitlich wurde, konnte er Unterstützung brauchen. Glücklicherweise war die Mehrzahl der Ratsmitglieder seiner Meinung: Wrath war mittlerweile nur noch eine Gallionsfigur, und während das in Friedenszeiten vertretbar war, war seine Position in dieser Ära von Krieg und Konflikt unhaltbar geworden.
Die alte Tradition konnte diesen Vampir nicht ewig mit einer Macht bekleiden, die ihm nicht zustand. Und in der Zwischenzeit würde Xcor auf den richtigen Moment warten und dann entschlossen zuschlagen.
Es war Zeit, Wraths Herrschaft zu einer bald vergessenen Randnotiz zu machen.
» Ich hasse Warten«, knurrte Zypher.
» Es ist die einzige Tugend, die zählt«, blaffte Xcor.
In der Eingangshalle im Anwesen der Bruderschaft sammelte man sich für das nächtliche Ausschwärmen. Die Vampire liefen am Fuß der Freitreppe umher, Waffen funkelten an Oberkörpern und Hüften, Brauen waren gesenkt über kalten Augen, und generell herrschte eine Unruhe wie unter Hengsten, die ihre Hufe nicht stillhalten konnten.
Im Schatten vor der Speisekammer wartete No’One darauf, dass Tohrment herunterkam und sich ihnen anschloss. Normalerweise war er unter den Ersten, aber in letzter Zeit hatte er immer länger gebraucht …
Da war er, am Kopf der Treppe im ersten Stock, ganz in schwarzes Leder gekleidet.
Als er herunterkam, legte er wie beiläufig die Hand auf das Geländer.
No’One ließ sich nicht täuschen.
In den letzten Monaten war er immer schwächer geworden, er siechte
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