Black Jack: Bei Anruf Mord!
Handtuch ab. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie von ihm wollte, aber es musste wichtig sein, sonst wäre sie bestimmt nicht gekommen. Das letzte Mal hatten sie im Krankenhaus miteinander gesprochen, etwa vier Tage nach der Schießerei. Damals hatte nur er geredet.
Er nickte kurz. „Hallo.“
Die kühle Begrüßung schien sie nicht aus der Fassung zu bringen; jedenfalls zeigte sie es nicht. „Hast du eine Minute Zeit?“
„Nein.“ Er begann, den Pulswärmer von seinem Handgelenk zu streifen.
„Nick, ich weiß, dass ich momentan keine guten Karten bei dir habe. Aber als du mir damals im Krankenhaus Vorwürfe gemacht hast, hast du mir keine Gelegenheit gegeben, mich zu verteidigen.“
„Was zu verteidigen?“ Seit Wochen hatte er versucht, diese verdammte Nacht aus seinem Gedächtnis zu streichen, und jetzt waren die Bilder wieder in seinem Kopf. „Du warst doch nur an einem interessiert – an deiner Story.“
Eine leichte Röte überzog ihre Wangen. „Das ist nicht wahr! Die Geschichte war mir ganz egal. Ich wollte nur einem Freund helfen, der in Schwierigkeiten steckte. Ich habe nicht einen Moment lang damit gerechnet, dass ein verdeckter Ermittler am Tatort sein könnte. Wenn ich das gewusst hätte …“ Sie wandte den Blick ab, als ob die Erinnerung an diese Nacht zu schmerzhaft sei.
Nick warf den Pulswärmer auf die Bank und begann, den anderen herunterzuziehen. „Du hättest mich anrufen sollen, als Dr. Ho Randy Chen die Papiertüte gab.“
„Du wärst nicht rechtzeitig im Lagerhaus gewesen.“
„Ich hätte deinen Lehrer verhören können.“
„Er hätte dir nichts gesagt. Er hatte zu viel Angst.“
Nick schwieg. Es gab ja auch nichts mehr zu sagen. Alle Vorwürfe der Welt würden Matt nicht wieder zum Leben erwecken.
Trotz der ungemütlichen Stille machte Kelly keine Anstalten zu gehen. Stattdessen stellte sie sich so dicht vor ihn hin, dass er das Parfüm wahrnahm, das sie ständig benutzte. Er erinnerte sich an den Namen. Magie Noire. Schwarzer Zauber. Einmal hatte er sich gefragt, was für ein Gefühl es wohl wäre, von Kelly Robolo verzaubert zu werden.
Sie schaute ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich brauche deine Hilfe, Nick.“
Damit hatte er nicht gerechnet – nicht nach ihrer letzten Unterhaltung. „Da bist du beim Falschen gelandet.“ Er wollte sich umdrehen, aber sie berührte seinen Arm und hielt ihn auf. Sofort zog sie ihre Hand wieder zurück.
„Victorias Mann ist verschwunden.“
Die atemlos ausgesprochenen Worte bestürzten ihn. Er brauchte einen Moment, um die Nachricht zu verarbeiten. Obwohl er Jonathan Bowman nie kennen gelernt hatte, wusste er, dass er Vizepräsident des Chenonceau war, wo sein verstorbener Vater als Sicherheitschef gearbeitet hatte.
Nick war alarmiert, wie immer, wenn Syd Webber im Spiel war – und sei es nur am Rande. „Seit wann?“
„Seit vierundzwanzig Stunden.“
„Was sagt Webber dazu?“
„Er ist genauso ratlos wie wir. Gestern Morgen hat Jonathan seine Sekretärin angerufen und ihr gesagt, dass er nicht kommen würde, weil er krank sei. Kurz darauf hat er mit Victoria telefoniert und ihr erzählt, Syd habe ihn auf eine Geschäftsreise nach Miami geschickt und dass er erst am späten Nachmittag zurück sein würde, rechtzeitig, um eine Ballettvorführung seiner kleinen Tochter sehen zu können.“
Nick erinnerte sich an seine eigene Ehe und wie sehr er manchmal hatte fliehen wollen. „Männer brauchen Freiheiten.“
„Heute Morgen um vier Uhr hat ein Detective Quinn von der Polizei in Miami sich gemeldet und gesagt, dass eine Bombe in einem zwielichtigen Motel an der Bundesstraße 95 explodiert sei“, fuhr Kelly fort. „Jonathan war nicht unter den Verletzten, aber in Zimmer 116, das angeblich seines war, wurde eine verkohlte Leiche gefunden. Ich glaube nicht, dass es Jonathan ist. Ich glaube nicht einmal, dass er überhaupt in dem Motel war.“
Gegen seinen Willen war Nick neugierig geworden. „Glaubt Detective Quinn das auch?“
„Bis jetzt hat er sich noch nicht dazu geäußert, aber er hat Unterlagen von Jonathans Zahnarzt angefordert.“
Das war vernünftig. Heutzutage konnte man mit Hilfe ausgeklügelter forensischer Gebissuntersuchungen und besonderen Röntgenmethoden Opfer identifizieren, gleichgültig, wie schlimm die Verbrennungen waren.
„Ich verstehe immer noch nicht, warum du zu mir gekommen bist“, meinte er. Das stimmte zwar nicht, aber ein störrischer Teil von ihm bestand darauf,
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