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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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– das Labyrinth von Tischen unter den blauen Planen, an dessen Ende seine wohlbeleibte Liebesgöttin auf ihn warten wird.
    Joe hat sein ganzes Leben in Gay Paris verbracht. Sein Vater war ein echter Mohikaner, der sein Geld damit verdiente, im benachbarten »Carson City Western«-Erlebnispark den wilden Indianer zu mimen. Er schoss mit Pfeil und Bogen, tanzte den Regentanz, warf seinen Tomahawk in Bäume, ritt ohne Sattel auf einer armen alten Mähre und trank sich abends, wenn die Pforten geschlossen hatten, zielstrebig in den Schlaf.
    Als das Geschäft nicht mehr lief und der Park schloss, habe der alte Diabetiker – so erzählt man sich im Ort – sein Insulin im Kühlschrank seines Wohnwagens zurückgelassen, sei in die Wälder gegangen und nie wieder zurückgekehrt. Eine halbherzige Suchaktion wurde nach einer Woche eingestellt und der Mohikaner für tot erklärt. Bis zum heutigen Tag schwört Bea, Joes betagte Mutter, dass sein Vater in Form eines Falken regelmäßig an ihr Fenster im »Serenity Grove« komme, dem Altersheim, das sich ein Stück weiter die Straße hinauf befindet. Und wenn sie dort sitzt, den Shoppingkanal im Fernseher voll aufgedreht, mit einer schwarzen Feder im weißen Zopf und einer Tasse Earl Grey in den knochigen Händen, wird sie ihrem Sohn davon erzählen, dass der Falke letzte Nacht wieder gekommen sei und Neuigkeiten aus der anderen Welt gebracht habe – eine Botschaft von Tante Arleen oder eine Warnung von Soundso, dass er nächste Woche besser nicht die Nachtschicht übernehme, weil etwas Schlimmes passieren würde, und dass er nicht so langsam an dem Drogenhaus vorbeifahren solle, weil sie sich seine Nummer notiert hätten – und so weiter und so fort. Und obwohl er sie aus ganzem Herzen liebt, hat der Sheriff dem Voodoo der alten Dame nie größere Beachtung geschenkt. Wenn sie solches Zeug zum Besten gibt, mahlt er mit den Zähnen, und seine hohen, braunen Backenknochen erzählen die Geschichte seines Herzens: Mann, ich wünschte mir, ich könnte an diesen Scheiß glauben. Vielleicht wäre ich dann nicht sechsundfünfzig Jahre alt und noch immer allein.
    All das hatte sich schlagartig geändert, als er an dem Morgen zu Debbies brennendem Trailer kam. Während die Spanplatten und die Vinylverkleidung laut knisterten, hatte sie ihn in die Büsche gezogen, ihm etwas zugeflüstert und ihm dann einen runtergeholt, damit er noch nicht die Feuerwehr rufe und auch die Benzindose, mit der sie den Brand gelegt hatte, in seinem Kofferraum verstecke und keiner Menschenseele etwas erzähle.
    Und so ist er nun also hier. Er zieht seinen Kopf unter dem Segeltuch ein und sieht ihren blinden Sohn, der auf einem knarzenden Stuhl hin- und herschaukelt, neben sich eine Kommode, auf der grün angemalte Frösche aus Ton sitzen. Der Polizist nimmt seinen Hut ab und sagt: »Hi, Black Jesus.«
    »Hallo, Joe.«
    »Hab dir ein Geschenk mitgebracht, Mann.«
    »Warum?«
    »Weiß nicht. Dachte, es würde dich auf andere Gedanken bringen. Es ist nichts Besonderes, nur etwas, das ich als Kind hatte. Hab’s im Schrank entdeckt und dachte, es könnte dir gefallen.«
    Joe geht vor dem Schaukelstuhl in die Hocke und drückt den Schuhkarton in Lionels Hände. Der greift ihn, stellt ihn auf seinen Schoß und will gerade den Deckel anheben, als er hört, wie seine Mutter die Fliegentür des Dairy Queen öffnet. Sie hat Make-up aufgelegt und trägt ein violettes Band im dunkelblonden Haar.
    Ihr uniformierter Kavalier schaut sie von oben bis unten an und flötet verliebt: »Na, schau mal einer her.«
    »Danke für die Blumen. Was hast du meinem Baby denn mitgebracht?«
    »Ich war gerade dabei, es herauszufinden«, schnaubt Lionel, »bis ihr zwei Turteltäubchen auf Touren kamt.«
    »Na, mach’s schon auf«, sagt sie.
    »Ja«, sagt Joe. »Mach auf.«
    Der blinde Junge nimmt den Deckel in beide Hände, hebt ihn und lässt ihn auf den Boden fallen. Er greift in den Karton und fühlt den abgenutzten Holzgriff, gleitet mit den Händen daran herunter, bis er auf Metall stößt, riecht das Metall, riecht das Alter, fühlt die kalte scharfe Klinge.
    »Ein Beil?«
    »Fast«, sagt Joe. »Es ist ein Tomahawk.«
    »Was soll er denn damit anstellen?«, knurrt Debbie.
    »Nun, ich dachte mir, ich könne ihm beibringen, wie man damit wirft.«
    »Wohin werfen?«
    »Gegen Bäume.«
    »Wie zum Teufel soll er …?«
    »Ma«, meldet sich Lionel zu Wort.
    »Ja, mein Liebling?«
    »Ich mag es. Danke, Joe.«
    »Es ist viel zu

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