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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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geboren, als diese Stadt eingenommen wurde. Sie wünscht sich eine DVD mit Cinderella . Mein Gott, sie würde ihr Leben geben für Cinderellas langes, blondes Haar.
    »Hast du gehört, was ich sage?«
    »Ja, dass du Angst hast. Gibt’s sonst noch was Neues?«
    »Ich hab Angst vor dem, was kommen wird.«
    »Was denn? Hast du etwa eine gottverdammte Kristallkugel?«
    »Nein, aber ich kann Dinge sehen.«
    »Was zum Teufel soll das wieder heißen?«
    »Ich weiß, was sie mit diesem Mädchen angestellt haben.«
    »Was für ein Mädchen?«
    »Du weißt genau, wovon ich spreche. Du hättest dich eigentlich gar nicht an dem Ort aufhalten dürfen. Aber du hast gesehen, wie sie das Mädchen an die Wand genagelt haben, du hast sie dabei genau beobachtet.«
    »Hör auf. Bitte.«
    »Und wie das Benzin auf ihr glänzte. Gib zu, dass dir diese Erinnerung an die Nerven geht. Und seitdem verschließt du dich vor jedem. Vor allem vor dir selbst, also vor dir und vor mir.«
    »Jetzt bist du völlig übergeschnappt.«
    »Ich kann einfach nicht mitansehen, wie du den Rest deines Lebens als Pillen-schluckender Junkie in diesem Stuhl verbringst.«
    »Was für einem Stuhl?«
    »Dem Stuhl von Mamas Flohmarkt.«
    »Wie zum Teufel konnte es überhaupt dazu kommen? Ich bin ein Marine, ich bin ein gottverdammter Marine.«
    Die Stimme am anderen Ende schweigt. Die Schießerei im ersten Stock klingt inzwischen so, als würden am Unabhängigkeitstag Feuerwerkskörper in ein Ölfass geworfen. Und die Augen des Toten sind noch immer offen. Und glasig. Ein Frösteln fährt durch den Soldaten, hier, in der heißen Lobby, während sein MG auf dem Tisch liegt und er das stumme Telefon gegen sein staubiges Ohr drückt.
    »Hallo«, sagt er. »Bist du noch da?«
    Am anderen Ende meldet sich niemand. Stille.
    »Soll das ein Witz sein? Sag gefälligst was.«
    Niemand. Die kleine schwarze Fliege nun auf Lionels Arm. Die kleine schwarze Fliege auf seinem Gesicht. Und oben ballern sie immer weiter. Oben und rund um den Globus.

Gloria
    GLORIA
    Der Regen hat sich verzogen, und alles fühlt sich sauberer an, als sie die Fahrt wiederaufnimmt und die Landschaft an ihr vorbeirollt wie ein alter Film, den sie irgendwo in einer Schublade verlegt hat. In fünf Tagen hat sie immerhin dreieinhalb Bundesstaaten abgehakt, hat an einer Tankstelle eine Frau mit Elefantenhaut gesehen und einen ungewollten Orgasmus gehabt, ausgelöst durch das Vibrieren des Mopedsattels zwischen ihren Schenkeln. Nicht der Rede wert. Auf der Toilette einer Raststätte hat sie ein Wildlederportemonnaie gefunden und sich das Bargeld eingesteckt, um dann die leere Geldbörse an die Frau zu schicken, die auf dem Führerschein abgebildet war. Doch als sie das Päckchen gerade beschriften wollte, fiel ihr Auge noch einmal auf das Passfoto, und das Gesicht sah so mitgenommen und ausgemergelt aus, dass sie sich selbst dafür verfluchte, eine schäbige Kleptomanin zu sein. Sie steckte das Geld wieder rein, schickte das Päckchen ab und heulte noch in ihren rosafarbenen Helm, als sie bereits einige Meilen unterwegs war.
    Vielleicht werde ich nie wieder tanzen können. Sie kann sich schon nicht mehr daran erinnern, wie es war, keine Schmerzen zu verspüren. Erstaunlich, wie schnell man vergisst, was früher normal war. Ist wohl die schützende Hand der Natur. Irgendwie muss es in unseren Genen stecken, dieses Vergessen. Es hilft uns, mit den Löchern klarzukommen, die bleiben, wenn man uns Liebgewonnenes wegnimmt. Ich war so nah dran. So nah dran, wirklich zu tanzen. Ballett. Allein der Klang des Wortes! Konnte es etwas Schöneres geben? Ballett. Wie ein Vogel an deinem Fenster. Nein, eher wie ein Raum mit farbigen Fensterscheiben, den man betritt, wenn das Herz voll von Musik ist. Gerade, als ich meine Augen schließen und loslegen wollte. Gerade, als ich das erwartungsfrohe Publikum vor meinem geistigen Auge sah. Gerade, als ich schon meinen Schweiß auf der Bühne riechen konnte, kommt er und zerstört alles. Ballett. Dass ich Stripperin war, hat ihm nichts ausgemacht. Zuerst dachte ich, es habe vielleicht mit dem Geld zu tun, das ich im Stripclub verdiente. Wenn ich den Job im »Cat House« aufgegeben hätte, um meinen Traum zu verwirklichen, hätte er mich halt unterstützen müssen. Aber es ging nicht ums Geld. Er hatte genug davon. Ross Klein – der Großkritiker. Dabei war nichts an ihm groß. Mein früherer Freund war ein Biker, ein harter Hund mit Mundgeruch und ohne Job, aber er war ein

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