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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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klingst so anders.«
    »Tut mir leid. Ich besuch gerade meine Mutter. Wir müssen wohl eine schlechte Verbindung haben.«
    »Und wir haben hier einen Notfall.«
    Das Wort »Notfall« lässt den Staatsdiener hochschrecken, als habe man einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht eines Volltrunkenen geschüttet.
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe einen Ladendieb dingfest gemacht.«
    »Machst du Scherze?«
    »Ich hab jetzt keine Zeit für Erklärungen. Komm bitte, so schnell es geht, Baby.«
    »Aber ich sitze hier mit meiner Mutter, und sie …«
    Joe braucht den Satz nicht abzuschließen, weil Debbie schon aufgelegt hatte.
    »Ich muss los, Ma. Es gibt wohl Ärger beim Dairy Queen.«
    »Geh nur. Es wird dir vielleicht helfen, auf andere Gedanken zu kommen.«
    »Was ich doch stark bezweifle«, sagt er und springt vom Bett auf, während die Sprungfedern laut aufstöhnen.
    Er beugt sich hinunter, küsst sie zum Abschied und sagt, dass er morgen wiederkommen wird.
    Als er schon an der Tür ist, ruft sie ihm nach: »Sei vorsichtig, Joe. Heute ist Vollmond.«
    Wann hört sie endlich mit dem Blödsinn auf?, denkt er, aber er sagt: »Klar, Mama. Versprochen.«
    Als er gegangen ist, steht die alte Frau lange am Fenster. In den Bäumen sitzen Vögel.
    Auf dem Weg durch den Ort sieht Joe, wie sich neben dem Shakespeare’s Bar & Grill zwei Trunkenbolde an die Gurgel gehen. Er kennt beide seit Ewigkeiten. Sie wälzen sich auf dem Boden und wirbeln Staub auf – nichts als Stiefel und T-Shirts und zerraufte Haare. Einer von ihnen hat eine zerbrochene Flasche in der Hand.
    Debbie braucht mich, denkt Joe. Außerdem werden sie wieder die dicksten Kumpel sein und sich in den Armen liegen, bevor in der Jukebox die nächste Nummer anfängt. Und wenn nicht: Sollen sie sich doch in Stücke reißen. Selbst die Luft zum Atmen ist für die beiden reine Verschwendung.
    Als er zum Dairy Queen einbiegt, bemerkt er ein seltsames Moped, das neben Debbies Kombi parkt. Aus alter Gewohnheit überprüft er im Rückspiegel seine Frisur, bevor er aussteigt. Auf dem Weg zum Tatort sieht er ein Mädchen, das neben Lionels Schaukelstuhl auf dem Boden hockt, einen Helm auf dem Kopf, den Kopf zwischen beiden Knien versteckt, die Arme um ihre Knie gelegt, als wolle sie für alles gewappnet sein, falls der Himmel über ihr einstürzen sollte.
    »Bist du’s, Joe?«, fragt Lionel von seinem Stuhl.
    »Ich bin’s, Black Jesus«, sagt Joe und sieht nun, warum sich das Mädchen nicht bewegt: Ihre Hände sind mit Handschellen am Rücken des Stuhl befestigt.
    »Wo zum Teufel steckt deine Mutter?«, fragt er.
    »Ich glaub, sie ist reingegangen«, sagt Lionel mit einem bekifften Lächeln. »Du hast wohl nicht gewusst, auf was für eine durchgeknallte Lady du dich da eingelassen hast, was?«
    »Es muss doch eine vernünftige Erklärung hierfür geben.«
    »Natürlich. Aber nimm den Sicherheitsgurt lieber nicht ab, Geronimo. Das hier ist nur die Spitze des Eisbergs.«
    »Debbie«, schreit er in Richtung des Dairy Queen, doch bevor sich der Klang ihres Namens unter den blauen Planen verflüchtigt hat, marschiert sie schon durch die Fliegentür – wie eine Diva auf der Theaterbühne.
    »Na, guck mal einer an. Wenn das nicht der große Hilfssheriff persönlich ist. Ich dachte schon, du würdest nie deinen Arsch hierherbewegen. Und schau dir nur mal an, was für einen Fang ich gemacht habe«, sagt sie und deutet auf das Mädchen, das in seiner erbärmlichen Haltung wie festgefroren scheint.
    »Was geht hier vor, Babe?«, sagt Joe und tut sein Bestes, um seinen wachsenden Unmut runterzuschlucken.
    »Der Freak wollte uns beklauen.«
    »Dafür habe ich dir aber nicht die Handschellen gegeben.«
    »Ich mag’s nicht glauben«, schreit Lionel. »Muss ich mir den Scheiß wirklich anhören? Als ob ich nicht schon genug Albträume hätte.«
    »Sie hat ein Paar Handschuhe gestohlen, Joe.«
    »Ein Paar Handschuhe?«, sagt Joe und fühlt sich immer unwohler in seiner Haut.
    »Die glitzernden Michael-Jackson-Dinger. Ein authentisches Exemplar aus der ›Thriller‹-Ära. Ich hatte sie mit achtzig Dollar ausgezeichnet!«
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll sie laufen lassen«, sagt Lionel. »Sie ist die Tänzerin – die Tänzerin, die ich sah, als sie mich in die Luft gejagt haben.«
    »Darüber reden wir später, Schatz, okay?«, fährt Debbie dazwischen.
    »Sie kam hier vorbei, weil sie zum Mystery Spot wollte«, sagt Lionel. »Mama erklärte ihr den Weg. Nach einer Weile kam sie zurück und

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