Black Jesus
Jede Kleinigkeit erschreckt ihn zu Tode: ein Geräusch in der Nähe. Eine Flasche, die auf dem Boden zersplittert. Kinder, die Steine werfen. Ein Datsun mit knatterndem Auspuff. Jedes Mal stockt sein Atem, jedes Mal schüttelt es ihn, jedes Mal läuft es ihm kalt den Rücken herunter.
Er sollte nicht hier sein. Und er hätte nicht sehen sollen, was er mit seinen eigenen Augen sah.
»Mike London hier mit dem Morgenwetter auf 98.9 FM, The Hawk. Es bleibt für die Jahreszeit zu kalt, aber klar und sonnig in den höheren Lagen, mit Höchsttemperaturen um die 20 Grad und einem wolkenlosen Himmel. Eine Warmluftfront zieht von den Carolinas die Küste hinauf, doch die Ausläufer sollten uns nicht vor dem Wochenende erreichen. Weitere Updates stündlich, jeweils zur vollen Stunde. Und damit kommen wir zum Kalenderblatt , unserem kleinen Spaziergang durch die Geschichte des heutigen Tages. Es ist der 11. August, und wie immer haben wir im Internet zu diesem Tag einige bemerkenswerte Fakten gefunden. Und los geht’s: Am 11. August 1956 veröffentlicht Elvis Presley ›Don’t Be Cruel‹ – oh yeah. An diesem Tag im Jahre 1971 wird mit dem Bau des Superdome in Louisiana begonnen. 1978 beklagt die ganze Welt den Tod von Papst Paul VI., und der Erreger der Legionärskrankheit wird in Atlanta identifiziert. Am 11. August 1866 eröffnet die erste Rollerskaterbahn in Newport, Rhode Island. 1991 landet das Space Shuttle Atlantis 9 wohlbehalten auf der Erde. 1982 führen die USA einen Nuklear-Test in der Wüste von Nevada durch. Am 11. August 1976 bricht Keith Moon, Schlagzeuger von The Who, bewusstlos zusammen und wird in ein Krankenhaus in Miami eingeliefert. 1980 schafft Reggie Jackson von den Yankees seinen 400. Homerun. Am 11. August 1999 fegt ein Tornado durch die Innenstadt von Salt Lake City und fordert ein Menschenleben. Und an diesem Tag im Jahre 1965 kommt der Beatles-Film Help! in die New Yorker Kinos. Ein Tag also, so gut oder schlecht wie jeder andere, doch wenn ich spontan etwas anfügen darf, dann dieses: In schweren Zeiten wie diesen können wir alle etwas Hilfe gebrauchen. Und deshalb für alle unsere Hörer in den Catskills: Hier kommt sie, die Hilfe! Und vergessen Sie nie: Ich weiß es zu schätzen, dass Sie uns eingeschaltet haben.«
»Zu dem Song bin ich entjungfert worden«, erzählt Debbie White einer perplexen Kundin, einer älteren Dame mit einer silberweißen Perücke, die nur gekommen ist, um Debbie darauf hinzuweisen, dass einer der antiken Ringe in Debbies Schmuckkiste in Wahrheit ihr Hochzeitsring ist – und ihn deshalb als ihr Eigentum zurückfordert.
»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen«, sagt Debbie. »Ich hab den Ring gegen ein Paar ›180 Dolomite‹-Skis eingetauscht, muss im letzten November gewesen sei. War so ein Typ oben aus den Bergen.«
»Als Harold mich verließ, wusste ich nicht, wie ich sonst überleben sollte«, sagt die Frau. »Ich war allein mit den Kindern, die Rechnungen türmten sich, also bin ich zu einem Pfandleiher in Albany gegangen.«
»Was für ein Jammer.«
»So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein«, sagt die Frau und schaut entrückt in die Ferne.
»Was zum Teufel soll das denn bedeuten?«
»Das ist von Shakespeare, Sie Dussel. Harold liebte die Poesie. Und mit Poesie hat er mich auch ins Bett gekriegt.«
»Das ist lustig. Wir haben hier im Ort auch einen Shakespeare, und man sieht dort sowohl Komödien …« – sie macht eine dramatische Pause – »… als auch Tragödien.«
»Und vielleicht ein paar eingeschlagene Zähne, wenn man das Maul zu weit aufreißt«, kommt es von Lionel.
Die Frau, bereits in ihren Achtzigern, schaut auf den Jungen im Schaukelstuhl, lächelt mitleidsvoll und sagt: »Amor steckt von Schalkheit voll, macht die armen Weiblein toll.«
»Okay, Gnädigste, hier ist mein Deal«, sagt Deb. »Ich gebe Ihnen zehn Prozent Seniorenrabatt. Mehr kann ich Ihnen beim besten Willen nicht anbieten.«
»Und wenn ich nun nachweisen kann, dass es wirklich mein Ring ist?«
»Wer’s findet, darf’s behalten.«
»Nun haben Sie doch etwas Mitgefühl«, jammert die Frau.
»31 Dollar 55. Hopp oder Top.«
»Und wenn ich die Polizei rufe?«
»Können Sie gerne machen. Nein, warten Sie, Sie können sich die Münze sparen. Hier kommt er schon.«
Joe haut den Gang in die Parkposition und springt aus dem Streifenwagen. Man muss kein Gedankenleser sein, um zu sehen, dass er außer sich ist.
»Sind wir hier fertig?«, fragt Deb. »Ich muss
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