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Black Jesus

Black Jesus

Titel: Black Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Felice
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mich um meinen Mann kümmern« – worauf die alte Dame ein paar uralte Schimpfworte ausstößt und noch einmal auf den Ring in der Schmuckkiste schaut, so unwiderruflich verloren wie ihre eigene Zukunft, so desolat wie der Zustand des Landes, in dem sie lebt. Dann rafft sie sich auf, schlägt einen weiten Bogen um Joe Two-Feathers, geht zu ihrem alten Mercury Sable und fährt davon.
    »Was ist denn mit der los?«, fragt Joe.
    »Nichts«, sagt Debbie. »Was ist denn im Altersheim gelaufen? Lassen sie deine Mutter nun raus oder nicht?«
    »Dieser Heimleiter ist ein ausgewachsener Hurensohn.«
    »Das heißt also wohl: nicht.«
    »Hast du gewusst, dass er ein sexueller Perversling ist? Wirklich. Er hat mir die unglaublichsten Sachen erzählt, als spräche er über das letzte Baseballspiel der New York Mets. Orgasmische Befreiung. Anal. Bisexualität. Arschdildos. Orgien. Sitzt da in seinem Büro und plaudert mit mir eine halbe Stunde über Schweinkram. Ich übertreib nicht. Erzählt mir, dass er von seiner Frau die Nase voll hat. Ahnst du das? Erzählt mir, dass er die Scheidung eingereicht hat, weil sie ihn mit einem Ambrosiasalat vergiften wollte.«
    »Ist das der mit Früchten und Marshmallows?«
    »Ich dachte, er wär mit Schlagsahne«, ruft Black Jesus herüber, von dem Thema offensichtlich fasziniert.
    »Weiß der Teufel«, knurrt Joe. »Ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass dieser Bursche einen Sprung in der Schüssel hat. Vollkommen durchgeknallt. Und das ist die Person, der wir unsere Eltern anvertrauen, wenn sie selber nicht mehr den Durchblick haben? Er biss und lutschte ständig seinen Kuli, und dann sagte er mir noch, dass er ziemlich heiß sei auf den Scheidungsanwalt, den er angeheuert habe. Terry Lipbaum.«
    »Ein Mann?«
    »Genau, Black Jesus, ein Mann. Was sagt man dazu? Kann man sich diese abgefahrene Scheiße wirklich vorstellen?«
    »Aber warum macht er so ’nen Bohei daraus, deine Mutter für ’nen Tag rauszulassen, weil sie mal ins Autokino will?«
    »Er sagt, ihre Ausgangs-Privilegien seien ausgesetzt, bis sich eine Kommission ein Urteil über ihren Fall gebildet habe.«
    »Weswegen denn diesmal?«
    »Glücksspiel.«
    »Scheiße. Wieder Bingo?«
    »Pferderennen.«
    Debbie kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Gloria hat inzwischen die Untersuchung diverser Schubladen abgeschlossen und sich mit einem National Geographic -Heft auf den Boden neben Lionels Schaukelstuhl gesetzt, um nur ja kein Wort zu verpassen.
    »Sie hat wohl einen Freund, der Buchmacher in einem Wettbüro ist und ihr die ganzen Insidergeschichten über gekaufte Rennen, gespritzte Pferde und heiß gehandelte Jockeys erzählt«, sagt Joe. »Und offensichtlich hat sie damit richtig Kohle gemacht, indem sie die Informationen an andere Leute im Altersheim weiterverkauft hat – im Fernsehzimmer, nach Kaffee und Kuchen.«
    Gloria hebt die Hand wie ein Schüler in der Schule, der darauf wartet, aufgerufen zu werden.
    Joe sieht es, gibt Debbie einen Wink, die sich umdreht, die Hand sieht und sagt: »Was ist, Gloria?«
    »Ich möchte Ihre Mama kennenlernen, Joe. Sie muss eine unglaubliche Persönlichkeit sein.«
    »Besuchszeit ist täglich bis vier«, sagt der Hilfssheriff. »Nimm dich nur vor dem Perversling in Acht. Sein Büro ist im Erdgeschoss.«
    »Kann ich Lionel mitnehmen?«
    »Black Jesus«, sagt der blinde Junge.
    »Ich weiß nicht«, sagt Debbie. »Seit er wieder zu Hause ist, ist er noch nie alleine unterwegs gewesen.«
    »Er ist ja nicht allein, wenn er mit ihr zusammen ist«, sagt Joe.
    »Hältst du das wirklich für ’ne gute Idee?« Debbie schaut Joe fragend an.
    »Ich glaub schon, dass sie sich freuen wird, wenn junge Leute sie besuchen. Sie glaubt wohl, sie sei selbst noch ein Teenager, wenn man sich ansieht, was für bescheuerte Sachen sie dauernd anstellt. Und sie wird ein bisschen Aufmunterung gut gebrauchen können, wenn ich die Bombe mit dem Autokino platzen lasse.«
    »Wie komm ich denn dahin?«, will Lionel wissen.
    »Zuerst musst du mal deinen Arsch aus dem Stuhl bewegen«, sagt Gloria und steht auf.
    »Ich mag meinen Stuhl. Wenn ich falle, bin ich zumindest nah am Boden.«
    »Du wirst schon nicht fallen.«
    »Woher willst du das wissen? Ich bin S-T-O-N-E-D«, sagt er und dehnt jeden Buchstaben mehr als den letzten.
    »Stoned?«
    »Stockstoned, Ma. Als ich heute Morgen aufwachte, hab ich gleich mal drei Pillen runtergespült.«
    »Du sollst morgens doch nur eine halbe nehmen und die andere halbe nach dem

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