Black Jesus
Handy.
»Drei-Zwei-Drei, Sieben-Sieben-Neun, Vier-Vier-Vier-Sechs.«
»Ist das ein Lieferservice? Wär nicht die schlechteste Idee. Wir haben seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen.«
»Mach dir keine Sorgen. Ruf einfach an und frag nach Desiree.«
Das Mädchen schaut ihn an, wie er am Herd steht. Sein wilder Bart. Seine manischen Augen. Streite bloß nicht mit ihm, denkt sie sich. Er wird schon das große Ganze im Auge haben. Genau wie all diese Fernsehprediger.
»Drei-Zwei-Drei, Sieben-Sieben-Neun …« Sie wählt und wartet auf die letzten Nummern.
»Vier-Vier-Vier-Sechs«, sagt er und schwingt sich wie ein prähistorischer Turner rückwärts auf die massive Herdplatte, um ihr von dort aus zuzusehen.
»›Cat House‹. Brown Shugah zu Ihren Diensten«, sagt eine Frau, während im Hintergrund laute Musik spielt.
»Hi, ist Desiree zu sprechen?«
Stille am anderen Ende, dann ein lautes, kreischendes Gitarrensolo.
»Hallo? Ich bin auf der Suche nach einem Mädchen namens Desiree.«
»Genau. Du und alle anderen auch«, sagt Brown Shugah. »Wir haben sie seit Ostern nicht gesehen. Sie hatte meine Schicht übernommen, damit ich mit meiner Mutter zur Kirche gehen konnte. Weißt du vielleicht, wo sie stecken könnte? Wenn ja, solltest du besser gleich mit der Sprache rausrücken.«
»Hmm … nein. Ich rufe nur im Auftrag eines Freundes an«, sagt Tracy und schaut zu Ross rüber, der ein erbärmliches Grinsen auf den Lippen hat.
»Oh, jetzt kapier ich’s«, sagt die Stimme.
»Was?«
»Jetzt weiß ich, um welchen Freund es sich handelt. Hol ihn ans Telefon.«
»Tut mir leid«, sagt das Mädchen und zupft mit ihrer freien Hand an ihrem Kleid. »Ich muss wohl die falsche Nummer gewählt haben.«
»Nein, du hast genau die richtige Nummer, du Schlampe. Er kennt sie auswendig. Rief jede Nacht hier an und fragte nach ihr. Sag diesem kranken Arschloch, dass ich genau weiß, dass er etwas mit meinem Mädchen angestellt hat. Scheiße, wahrscheinlich hat er sie in einem Schlachthof am Haken hängen. Oder, noch besser, hat sie in Millionen Stücke zerhackt, damit er Köder für die Haie hat, wenn er seine Freunde wieder auf Papas Yacht einlädt.«
Tracy aus Florida fehlen die Worte. Sie schaut zu Ross und hält ihr Handy in die Höhe, auf ihrer Stirn eine Falte der Ratlosigkeit. Doch er setzt nur sein Poltergeistlächeln auf, kreuzt seine blassen Beine und lässt sie provokativ lässig hin und her baumeln, während Brown Shugah ihre Hasstirade in die leere, abgestandene Luft ausspuckt.
»Am besten, du packst gleich deine Sachen, wenn du noch alle Tassen im Schrank hast, Baby. Was für ein verhätscheltes Arschloch. Was für ein verdammter Lügner. Sag ihm, dass Brown Shugah seine Telefonnummer hat. Verdammter Freddy-Krueger-Motherfucker.«
Und dabei wollte Tracy heute doch eigentlich nur über Liebe reden.
Gay Paris, New York
GAY PARIS, NEW YORK
»Siehst du, was ich sehe?«, sagt der Kampftrinker.
»Scheißt ein Bär in den Wald?«, erwidert sein Sauf kumpan.
Die zwei sitzen am späten Vormittag auf der Terrasse des Shakespeare’s, eine Dose Light-Bier in der Hand, eine Kippe im Mundwinkel – und wollen ihren Augen nicht trauen.
»Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht dieser Kriegsheldenbubi von der fetten Debbie White ist.«
»Geh mir weg mit dem Kriegsheldenscheiß. Schau dir die halbe Portion doch nur an: Lässt sich von einem Freak auf ’nem Moped an einer Leine über die Straße ziehen.«
»Pass auf, was du sagst, Dennis. Brauch dich ja nicht daran zu erinnern, dass ich sechshundert Tage in Vietnam war, wo abgedrehte kleine Reisbauern tagtäglich auf einen ballerten, während du dich nach Kanada verdrückt hattest, um dir in einer gottverdammten Hare-Krishna-Sex-Kommune ’nen schönen Tag zu machen. Der Junge dort« – er zeigt auf Black Jesus, der mit ausgestreckten Armen hinter der motorisierten Fremden herläuft, als sei sie eine Wunderheilerin, die ihn zum Fluss führt, um dort seine Wunden zu waschen und ihm das Augenlicht wiederzugeben –, »dieser Junge hat in einer gottverdammten Wüste sein verficktes Augenlicht verloren, damit du dir in diesem Scheißkaff die Birne vollknallen kannst, damit du dir bei ›Wal-Mart‹ ein Steak kaufen kannst, um dir dann abends zu ›American Idol‹ einen runterzuholen – ohne dir dabei in die Hose scheißen zu müssen, dass einer dieser Wüstennigger mit seinem Granatwerfer vor deinem Fenster steht. Der Junge mag vielleicht etwas unterbelichtet
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