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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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weißen Tuch zusammengebunden. Dazu die unglaublichsten Pausbacken, aber ein schmales, spitzes Kinn. Sie strahlte uns an, als hätten wir ihr gerade den Preis für die beste Rezeptionistin Norwegens verliehen. Der Mandel erklärte, er habe eine Reservierung von der Plattenfirma für ein Doppelzimmer für drei Nächte. Das Lächeln des Mädchens verflüchtigte sich sanft, als sie dem Mandel unter völlig glaubwürdigem Bedauern mitteilte, dass das Gästehaus ausgebucht war und sie keine Reservierung unter seinem Namen oder dem einer Plattenfirma finden konnte. Sie könne uns aber auf jeden Fall eine sehr günstige Alternative nennen: das Fantoft-Studentenhostel, nur fünf Kilometer vom Zentrum entfernt. Die Zimmerverwaltung dort habe noch nicht geöffnet, aber sie würde jemanden anrufen, der uns vor dem Hostel treffen und uns einen Schlüssel geben würde. In der Regel sei das Hostel ohnehin nur an Austauschstudenten vermietet, aber zurzeit waren viele Zimmer frei wegen der Semesterferien. Der Mandel ließ sich die Adresse geben und bedankte sich. An der Tür drehte er sich noch mal zu dem Mädchen um und sagte ein zweites Mal Danke. Unten im Auto lächelte er wie blöd vor sich hin, als er den Motor anließ.
    »Scheiß Plattenfirma«, sagte ich. »Jetzt müssen wir das auch noch selber zahlen.«
    »Das klären wir, wenn wir wieder zurück sind«, sagte der Mandel und lächelte noch immer.
    Das Navigationsgerät fand kein Signal vom Satelliten, nachdem ich es zwischenzeitlich ausgeschaltet hatte, um Batterien zu sparen. Der Mandel steuerte den Ford Focus zügig durch die engen Straßen, als würde er sich auskennen, während ich wehmütig auf die langsam erwachende Innenstadt zurückblickte. Jetzt sah man die Berge deutlich, wie sie fast auf der Stadt draufsaßen. Ich hasse Hotels, die außerhalb liegen, weil man einen wesentlichen Teil seines Urlaubs damit verschwendet, in die Innenstadt zu gelangen. Nach einer größeren Kreuzung ging es erst mal wieder eine längere Zeit bergab. Es war das reinste Mini-San-Francisco hier, steigungstechnisch. Eine lang gezogene Allee führte uns an Villen aus Holz vorbei, die durch Bäume sorgfältig abgeschirmt waren. Links von uns tauchte ein graues spitzdachiges Holzhaus mit in die Höhe geschwungenen Seitenflügeln auf, das mich an das Bates-Anwesen aus Psycho erinnerte. Rechts gegenüber ein flaches Funktionalgebäude mit einem gläsernen Unterbau. Das Navigationsgerät hatte immer noch keinen Empfang. Keine Ahnung, was dem Mandel die Sicherheit verlieh, auf dem richtigen Weg zu sein.
    »Sind wir auf dem richtigen Weg?«
    »Ja«, sagte der Mandel.
    »Woher weißt du das? Warst du schon mal in Bergen?«
    »Nein, nur in Oslo. Aber ich habe auf der Karte nachgesehen, wo die Fantoft-Kirche liegt. Und dem Namen nach kann das Fantoft-Hostel ja nicht weit sein.«
    »Was ist die Fantoft-Kirche?«, fragte ich und überlegte, wann der Mandel so genau auf die Karte geschaut haben könnte.
    »Die haben sie abgebrannt.«
    »Wer?«
    »Der Schwarze Kreis.«
    »Wer?«
    »Wenn du wirklich den Artikel schreiben willst, bist du aber schlecht vorbereitet.«
    »Ich bin nur müde«, sagte ich.
    Der Mandel hielt kurze Zeit später an, weil er endlich einen Passanten gesichtet hatte. Einen Jogger mit einem orangefarbenen Stirnband und schwarzen Leggins, der beschwingt durch den Regen lief, als wäre es das schönste Wetter. Der Mandel fragte auf Englisch nach dem Hostel. Ich konnte nicht hören, was der Jogger sagte, aber dem Mandel schien es zu reichen. Er winkte und fuhr weiter. Zwei Minuten später bogen wir links ab über einen kleinen Bahnübergang. Vor uns, quasi in die Hügel hineingerammt, häuften sich mehrere graue Betonkästen, die mich an die Plattenbauten bei uns in der Oststadt erinnerten. Ein Hochhaus in der Mitte überragte alle anderen Plattenbauten auf dem Platz und ragte in die grüne Hügelkette hinein wie ein Wachturm.
    »Ist es das?«, fragte ich ungläubig.
    »Fürchte schon«, sagte der Mandel.
    Unser Zimmer war vielleicht ein Zimmer, aber kein Hotelzimmer. Die Wände ein Verlauf von vergilbtem Weiß zu ranzigem Gelb, darunter ein länglicher Schreibtisch, an dem ohne Weiteres und völlig grundlos vier Leute Platz gehabt hätten, eine Art Sitzecke, aus der ein Bett herausgeklappt werden konnte, und ein echtes Bett, das allerdings nur Platz für eine Person bot. Dazu ein schmuckloser Schrank und das minimalste Badezimmer. Die gesamte Einrichtung bestand aus hellbraunem Holz,

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