Black Mandel
Vilde?«, fragte der Mandel.
»Sie ist bei ihrer Mutter«, sagte ich.
»Das sagtest du bereits.«
»Es geht ihr nicht so gut«, sagte ich.
»Hm«, machte der Mandel, der Mitfühlende. Warum fragte er dann überhaupt? Warum interessierte es ihn überhaupt, wie es Vilde ging? Er hatte sich die letzten Tage ja nicht gerade vor Sehnsucht nach ihr verzehrt, nahm ich an.
»Gehen wir jetzt in das Hotel oder nicht?«, fragte ich.
Der Mandel sagte nichts, sondern ging einfach voran.
»Warte«, sagte ich.
»Was denn?«
»Der Taxifahrer wird sich vielleicht erinnern, dass er zwei verschlammte Menschen unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Brandstiftung in ein Hotel gefahren hat. Und in dem Hotel müssen wir uns ausweisen, um ein Zimmer zu bekommen. Da hinterlassen wir eine mehr als deutliche Spur für die Polizei«, sagte ich.
»Hm«, sagte der Mandel und zog an einer seiner grauen Stirnsträhnen.
»Ich hab eine Idee«, sagte er dann und ging los.
»Warte«, sagte ich.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Du hast immer noch schwarze Schminke im Gesicht.«
»Dann wisch sie weg«, sagte der Mandel.
»Ich?«, fragte ich.
»Ja, oder siehst du hier irgendwo einen Spiegel?«
Ich hatte noch ein Taschentuch in der Hosentasche. Ich spuckte hinein und wischte dem Mandel das letzte Schwarz aus dem Gesicht.
»Pfui Teufel«, sagte der Mandel.
Die Frau am Empfang legte eine Hand an die Unterseite ihres Schreibtischs, als sie uns sah, als wären wir Bankräuber, und sie müsste jeden Moment den Alarm auslösen.
»Guten Abend«, sagte der Mandel. »Ich hoffe, wir erschrecken Sie nicht zu sehr durch unser Aussehen. Wir waren auf einer Nachtwanderung und haben das Wetter falsch eingeschätzt.« Der Mandel lächelte die Frau mit den dunkelblonden Haaren aufmunternd an, und sie nahm ihre Hand langsam unter dem Schreibtisch hervor. So eine dämliche Geschichte konnte auch nur der Mandel glaubwürdig rüberbringen. Das Wetter falsch eingeschätzt. In Norwegen. Natürlich.
»Wir hätten gerne ein Doppelzimmer für eine Nacht«, sagte der Mandel, und die Frau an der Rezeption musterte mich eindringlich, als ob ich hier der Einzige mit Schlamm am Hemd gewesen wäre.
»Gerne, eine Suite kostet 1142 Norwegische Kronen.«
»Was ist das in Euro?«, wollte ich wissen.
»Einen Moment«, sagte sie und tippte etwas in ihren Computer, der vor ihr stand.
»Ist doch jetzt egal«, sagte der Mandel.
»146 Euro«, sagte die Frau.
»Puh«, sagte ich, aber der Mandel hatte schon sein Portemonnaie in der Hand.
»Sie können das auch morgen bezahlen«, sagte die Frau. »Ich bräuchte nur einen Personalausweis.«
»Den habe ich leider in meiner Tasche vergessen, und die ist im Auto, und das Auto steht noch bei unseren Bekannten in Bryggen. Mein Name ist Karsten Urbaniak, COO für Artist and Talent Relations bei Global Music Europe. Hier ist meine Visitenkarte, Sie können gern dort anrufen, um das zu überprüfen. Ich kann Ihnen meinen Ausweis morgen Mittag zufaxen oder nachträglich vorbeibringen. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände mache.«
Der Mandel gab ihr die Visitenkarte vom Urbaniak, und ich hätte mir am liebsten in die Hand gebissen vor Schadenfreude. Weil der Urbaniak ein Riesenidiot war, für diejenigen, die ihn nicht aus dem letzten Jahr kennen.
»Gut, Herr … Urbaniak. Das reicht fürs Erste. Sie bekommen Suite 11 im ersten Stock. Haben Sie Gepäck?«
»Das ist auch im Auto«, sagte ich.
»Verstehe«, sagte die Frau und sah dabei den Mandel fragend an.
»Entschuldigen Sie, das ist übrigens Herr Meier, mein Personal Assistant«, sagte der Mandel und nahm den Schlüssel entgegen. Es machte sicher keinen guten Eindruck, wenn der Chef mit seinem Sekretär ein Doppelzimmer nahm.
Die Suite Nummer 11 war die geräumigste Hotelunterkunft, die ich je betreten hatte, sie besaß sogar ein eigenes Wohnzimmer mit einer großen Couch. Die Möbel waren neo-antik, und eine riesige Fensterfront ließ uns auf die nächtlich menschenleere Kreuzung am Park schauen. Nachdem wir abwechselnd geduscht hatten und in frischen weißen Bademänteln im Bett lagen, schaltete der Mandel den Fernseher ein. Wir sahen, wie gelbe Flammen aus dem unteren Pultdach der Stabkirche schlugen und die Feuerwehr versuchte, den Brand unter Kontrolle zu bekommen. Wir verstanden zwar nichts von dem Kommentar, aber wir schauten zu, wie die Polizei Håvard abführte und ein Polizist ihm die Hand vors immer noch geschminkte Gesicht hielt. Es war der nette Polizist
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