Black Mandel
verfolgen«, sagte ich.
»Das macht nichts«, sagte Raske.
»Du weißt ja sicher, wo’s langgeht«, sagte ich.
»Haha«, machte Raske, und es war schön, dass jemand meinen Humor zu schätzen wusste, selbst wenn es der Staatsfeind Nummer eins war.
Raske ging mit der Lampe voraus.
»Du willst aber nicht wieder die Kirche samt Insassen abbrennen, oder?«, flüsterte ich nach vorne.
»Ich wiederhole mich doch nicht«, sagte Raske, ohne sich umzudrehen.
»Du weißt, dass man dich wegen dem Mord an Baalberith sucht«, sagte ich.
»Ich weiß«, sagte Raske.
»Warst du’s?«, fragte ich.
»Nein«, sagte Raske, und was will man machen, wenn jemand so hartnäckig auf seiner Meinung besteht.
Natürlich überlegte ich, ob ich ihn von hinten niederschlagen sollte, wenn er schon vorauslief, aber erstens hätte ich mich ohne ihn verlaufen, und zweitens wusste ich gar nicht, ob ich einen guten Punch hatte. Ich hatte bisher in meinem Leben nie richtig zugeschlagen. Drittens war ich neugierig, was er von mir wollte. Ich gebe aber zu, dass es so eine Art Neugier des Schreckens war, die man vor einem neuen Horrorfilm verspürt, von dem alle sagen, dass er alle bisher da gewesenen Brutalitäten in den Schatten stellt. Also lief ich weiter wie ein Eleve hinter Raske her, bis wir zur selben Anhöhe kamen, auf der gerade noch der Mandel gestanden hatte. Wir blickten auf die dunkle Silhouette der Stabkirche, auf die spitzen Drachenköpfe, die ihre Mäuler in die Bergener Nacht reckten. Unten am Fuß der Kirche sahen wir Lichter, die sich auf und ab bewegten.
»Da sind sie«, sagte Raske.
»Das sind mehr als zwei Leute«, sagte ich nach genauerer Betrachtung. »Wer ist da noch außer dem Mandel und Myklebust?«
»Der neue Gitarrist«, sagte Raske.
»Das geht ja schnell bei denen«, sagte ich, weil ich den alten gerade noch als lebende Leiche hinter mir auf dem Notsitz vom Jubiläumsporsche hatte liegen sehen. Aber klar, warum sollte man in solchen Bands nicht auch pragmatisch vorgehen. Unten sah ich die Lichter über den Kirchhof flackern.
»Jetzt brechen sie gleich die Tür auf«, sagte Raske in einem Ton, als würde er ein Fußballspiel kurz nach dem Anpfiff kommentieren, wo noch nicht so viel passiert.
»Dann geh ich jetzt mal lieber da runter«, sagte ich und wartete darauf, dass Raske mir von hinten ein Messer in den Rücken stieß.
»Geh ruhig. Wo ist eigentlich dein Freund Gunarr?«, fragte Raske.
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Ihr wart aber grade noch zusammen«, sagte Raske.
»Woher willst du das wissen?«
»Skull hat das gesagt«, sagte Raske.
»Der Schwätzer.«
»Ich hätte Gunarr eh angerufen, falls ich dich nicht erreicht hätte.«
»Du hast Kontakt mit Aasen?«, fragte ich.
»Hin und wieder«, sagte Raske. »Demnächst wollte er ein Video für Utgang drehen.«
»Das glaub ich nicht«, sagte ich.
»Doch, doch.«
»Warum sollte er das tun?«
»Weil ich sonst der Polizei erzählt hätte, dass er jemanden umgebracht hat.«
»Was für ein Unsinn. Gunarr ist ein völlig harmloser Zeitgenosse. Der bringt niemanden um«, flüsterte ich.
»Du kennst ihn wohl sehr gut, was?«
»Nein, aber … «, sagte ich.
»Ich erzähl dir eine Geschichte, Sigi, mein Freund. Wir waren ziemlich betrunken an dem Abend damals. Wir waren bei Freunden in Stavanger zu Besuch und sprachen darüber, dass man erst jemanden töten muss, um wirklich extrem sein zu können. Dass man erst diese Schwelle überwunden haben muss, um sich ganz von den bürgerlichen Fesseln befreien zu können. Was man halt so redet, wenn man jung ist«, sagte Raske über sich selbst belustigt.
»Und?«, fragte ich.
»Wir sind zu dritt betrunken durch die Stadt gelaufen. Aasen, ich und Cristian Hallberg.«
»Baalberith war auch dabei?«
»Natürlich«, sagte Raske.
»Und dann?«, fragte ich.
»Unten beim Industriehafen gegenüber der Brücke hat dieser Obdachlose geschlafen. Ich habe im Spaß gesagt, das ist unser Mann, an dem könnten wir uns ausprobieren. Gunarr war der Betrunkenste von uns und hat ihn geweckt. Ob er vielleicht sterben will, hat er ihn gefragt. Weil er doch ohnehin nichts zu verlieren hätte. Wir hielten das zu dem Zeitpunkt für einen großen Spaß. Der Penner hat uns als Kommunisten beschimpft, und dann hat er Aasen in die Eier getreten und wollte wegrennen. Wir konnten ihn festhalten, und er hat gekratzt wie eine alte Katze. Als wir ihn wieder losließen, hat er Aasen mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm die Nase
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