Black Monday
noch.«
So wie Dubbs senior Gerard ansieht, scheint er dasselbe zu denken.
»Kannst du dich noch erinnern, wie wir uns Sorgen gemacht haben, wir könnten von meinen Eltern beim Sex erwischt werden«, fragt Marisa, »und nicht von unseren Kindern?«
Durchs Fenster fällt Mondlicht und bescheint die Frau im Slip, die breitbeinig auf Gerard sitzt. Die Hände auf seiner Brust. Mit dem Hintern auf seinen Schenkeln. Ihr Haar fällt ihm in die Stirn. Ihre Augen sind weit geöffnet und ihre Nippel hart.
Es ist halb zwölf, das Haus ruhig, die Party vorüber, und die Straße unter dem Schlafzimmer im ersten Stock ist menschenleer. Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter hatte sich als computergenerierte Werbung einer Immobilienfirma entpuppt. Gerard hört das gedämpfte Geräusch eines laufenden Fernsehers irgendwo in der Marion Street. Seine Nachbarn sind normalerweise nicht so lange auf, es muss also irgendetwas Interessantes geben.
Sein Vergnügen ist so groß, dass er die Sirenen auf der Connecticut Avenue kaum registriert. Aber samstagnachts sollten die Straßen eigentlich frei sein.
Bis zum Beginn des letzten Oktobertags sind es nur noch dreißig Minuten.
»Lass das«, fordert Gerard Marisa auf.
»Du meinst das hier?«, fragt Marisa unschuldig und nimmt seinen erigierten Penis in beide Hände. Mit ihren glitschigen Fingern tippt sie sanft auf die Eichel und bewegt die Hand auf und ab. Die Flasche mit dem Gleitmittel steht auf ihrem Nachttisch.
Es ist ein altes Spiel. Wer zuerst kommt, hat verloren. Und wer verliert, muss am nächsten Abend das Essen machen.
»Ja, das«, erwidert er heiser.
»Vielleicht lieber das«, sagt sie und schiebt ihren Slip ein wenig zur Seite. Sie ist so feucht, dass er, kaum dass sie sich auf ihn sinken lässt, in sie hineingleitet. Er liebt es, ihr Gewicht zu spüren, die leichte Reibung des Stoffes auf seiner Haut. Er berührt ihre Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern und lässt sanft seine Fingernägel auf ihrer Haut kreisen.
»Das ist nicht fair«, sagt sie.
Sie bewegen sich langsam auf und ab. Er knabbert zärtlich an ihrer rechten Brustwarze.
»Ich … halte … es … länger aus … als du«, sagt sie.
»Du bist einfach zäh.« Er bewegt sich schneller.
»Wenn du so weitermachst, fang ich an zu schreien und wecke die Kinder auf«, flüstert sie. Er umfasst ihre Schenkel, Schweiß brennt in seinen Augen.
»Verdammt«, sagt sie. »Ich werde Neil Kline nicht um Eintrittskarten für die Redskins bitten, wenn du nicht langsamer machst.«
Das Fenster steht offen, und die Nachtluft ist immer noch lau. Vor einer halben Stunde, als Gerard das letzte Mal nachgesehen hat, schlief Paulo tief und fest und alle viere von sich gestreckt unter einem Poster von Lance Armstrong. Auf dem Schreibtisch neben dem Bett lag ein Ausdruck seines Biologie-Referats über die Hungerkatastrophe in Irland in den 1840er Jahren.
»Bist du wirklich erst zwölf Jahre alt, oder machst du bald deinen Doktor?«, hatte Gerard den Jungen am Tag zuvor gefragt, als er stolz die zweite Fassung überflogen hatte.
»Sieh mal diese alten Zeichnungen, Dad. Eine Million Menschen sind verhungert, weil ein Pilz ihre ganze Ernte vernichtet hatte. Ich möchte so sein wie du, wenn ich groß bin, und böse Bakterien jagen.«
Ach, Paulo. Der leibliche Vater des Jungen war an Malaria gestorben.
Annie schläft ebenfalls schon, im Eckzimmer, unter einem lebensgroßen Foto von ihr selbst – ein echtes Werbefoto, das derzeit in der Metro hängt –, auf dem sie ein Gepardenbaby im National Zoo mit der Flasche füttert. Sie arbeitet ehrenamtlich bei den Friends of the Zoo und darf sich seit kurzem dort um die Neugeborenen kümmern.
Ach, Annie.
Annie schießt hoch auf wie eine Angehörige des Dinka-Volks. Sie ist dünn wie ein Model. Gerard hatte sie zum ersten Mal als Baby in einem sudanesischen Hilfslager gesehen, wo er zur Bekämpfung einer Cholera-Epidemie im Einsatz war. Ihre Mutter lag im Sterben. Das Verhältnis von Größe und Gewicht des Babys hatte einen Wert erreicht, bei dem man die Ernährung eingestellt hätte.
Meine Kinder.
Selbst jetzt, beim Sex, weiß er, dass Marisa genau wie er mit den Gedanken nie weit weg ist von ihren schlafenden Kindern am anderen Ende des Flurs. Vermutlich machen sich seit einiger Zeit alle Eltern auf der Welt verstärkt Sorgen um ihre Kinder. Ein Flugzeug stürzt am anderen Ende der Welt ab, und der erste Gedanke ist: Wo mögen die Kinder sein? Ein durchgeknallter
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