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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Untersuchungstisch baumeln, bemüht, sich den Schock nicht anmerken zu lassen. Über einem Stuhl lag seine Hose, aus deren Tasche eine Ecke der kleinen ledernen Schachtel mit den Ringen hervorlugte. Gerard blickte an sich hinunter. Alles sah aus wie immer, aber plötzlich war alles anders.
    »Sie können sich weiterhin eines lustvollen Sexuallebens erfreuen«, versicherte ihm der Arzt.
    »Allein das Geld, das ich spare, weil ich keine Kondome mehr kaufen muss.«
    »Abgesehen davon sind Sie gesünder als ein Pferd. Wollen Sie sich vielleicht mit einem Psychologen unterhalten, Greg?«
    »Nein.« Gerard stand auf und griff nach seiner Hose. Gegenüber Fremden ließ er sich schmerzliche Gefühle nicht anmerken. Das hatte er schon als Kind gelernt, wenn er in Prügeleien verwickelt, von seinem Onkel geschlagen worden oder verängstigt in einer Zelle gelandet war. Man beißt die Zähne zusammen. »Ich hatte immer Angst, dass ich mir irgendwann von einem meiner Einsätze was mitbringe. Aber es ist schon merkwürdig, als Kind hatte ich nie Mumps«, sagte er.
    »Das ist wirklich Pech. Es hätte Sie immun gemacht.«
    Er verließ den Campus und überquerte die M Street in einem heftigen Schneesturm. Er lief den alten Treidelpfad am Potomac entlang und spürte das Gewicht der Schachtel mit den Ringen in seiner Hosentasche. Am Morgen hatte er schon für zwanzig Uhr einen Tisch im Palermo reserviert, Marisas Lieblingsrestaurant. An dem Abend standen ihre Lieblingsgerichte auf der Speisekarte. Spinat-Garganelli mit einer Sauce aus gelbem Pfeffer und Tomatenstückchen. Hauchdünnes sardisches Brot mit Bohnenpaste. Apfelpastetchen mit Zimt. Dazu einen Grauburgunder und als Höhepunkt schließlich der mit Smaragden verzierte Weißgoldring.
    Steril.
    Und Kinder, dachte er, als er eine Stunde später immer noch den Pfad entlangging und einem Vater mit zwei kleinen Jungs auf einem Schlitten begegnete, die dick eingepackt vor Vergnügen quietschten.
    Sie will Kinder. Daran hat sie von Anfang an keinen Zweifel gelassen.
    Also gut, sagte er sich. Ihre Familie hat Geld, und ich habe geklaut, um etwas zu essen zu haben. Ihr Vater hat als Skiläufer an einer Olympiade teilgenommen, während ich meinen nicht einmal gekannt habe. Sie ist aus dem Norden, ich stamme aus Georgia. Wahrscheinlich hat sie schlechte Angewohnheiten, die mir noch gar nicht aufgefallen sind. Wieso überhaupt heiraten? Die Hälfte aller Ehen wird sowieso wieder geschieden.
    Okay. Das Leben geht weiter, halt dich nicht lange an Problemen auf. Man soll seine Zeit nicht damit vergeuden, über Dinge zu jammern, die man nicht ändern kann.
    Ich mach Schluss mit ihr, dachte er, und an dem Abend, als er ihr eigentlich einen Heiratsantrag machen wollte, ließ er sich erst gar nicht in dem Restaurant blicken. Ich will nicht, dass sie Mitleid mit mir hat.
    Also sagte er ihr, er hätte eine andere kennengelernt, und redete sich ein, er würde schon über sie hinwegkommen. Doch danach – noch Monate später – hatte er immer ihren Geruch in der Nase, obwohl sie gar nicht da war. In einem Labor oder beim Aufwachen auf dem Kopfkissen. Eine überraschende Duftspur von Marisa in einem Restaurant. Auf der Straße. Bei einem verdammten Air-India-Flug am anderen Ende der Welt.
    Es war mehr als nur die Vertrautheit, die ihm fehlte. Ihm fehlten ihr Selbstbewusstsein und ihr Pragmatismus. Und das Wissen, dass sie ebenso wie er die bewusste Entscheidung getroffen hatte, Geben zu einem entscheidenden Wert in ihrem Leben zu machen. Dass sie, wenn sie sich einer Sache verschrieben hatte, unerschütterlich dazu stand. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Gerard unvollständig.
    Der einzige Mensch, dem er sich anvertraute, war Dr. Larch, als dieser im Juni zu einer Sitzung nach Washington kam. Sie trafen sich auf ein Bier in einer Kneipe.
    »Sie hätten ihr die Entscheidung überlassen sollen«, sagte Larch.
    »Was hätte sie denn da noch entscheiden sollen?«
    »Auch ich habe einmal jemandem die Entscheidung abgenommen«, antwortete Larch so wehmütig, wie Gerard ihn noch nie erlebt hatte. »Ich hatte Angst. Wie Sie. Und ich habe mein Glück verspielt.«
    »Ich kenne Marisa besser als Sie«, ereiferte sich Gerard.
    Aber eine Woche später, als er spätabends nach Hause kam, saß Marisa im Flur vor seiner Wohnung. Die Beine ausgestreckt. Die Hände in Fäustlingen. Das hübsche Gesicht vor Wut funkelnd, Tränen in den Augen.
    »Larch hat mich angerufen. Wie kannst du es wagen, über meinen

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