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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Kopf hinweg eine Entscheidung zu treffen? Es gibt genug Waisenkinder auf der Welt, die Eltern brauchen. Das solltest du eigentlich wissen, du Idiot. Du bist selbst mal eins gewesen.«
    Vierzehn Jahre Ehe, denkt er jetzt. Einige waren wunderbar, andere weniger, aber während all der Zeit hat er nie eine andere Frau ernsthaft begehrt – abgesehen von Theresa. Aber er hat der Versuchung nie nachgegeben. Sie beide respektierten die Ehe als Institution und seine Ehe im Besonderen. Theresas Exmann hatte sie betrogen, und sie hatte nicht vor, einer anderen Frau dasselbe anzutun. Aber manchmal sind die Begierden einfach da, und während jener Nächte auf den Philippinen hielt sich seine Begierde so hartnäckig wie eine Mikrobe.
    »Colonel Novak«, begrüßt er sie förmlich und schüttelt ihr die Hand. Er spürt ihre warme Haut und ihre langen Finger und blickt ihr in die dunklen Augen, während Marisa sie beide beobachtet. »Ich dachte, Sie müssten im Fort bleiben.« Seine Worte sind eine Warnung: Siehst du nicht, was mir meine Familie bedeutet? Nichts hat sich geändert.
    Sie duftet nach Vanille. »Sie waren derjenige, der mir auf den Philippinen geraten hat: Bleiben Sie nicht im Labor hocken, gehen Sie an die Front. Vielleicht finden Sie dort Hinweise, die Ihnen Wochen im Labor ersparen.«
    Zu Marisa sagt sie: »Tut mir leid, dass ich Ihren Ehemann entführen muss.« Dann fragt sie Gerard: »Was ist denn mit Ihrem Gesicht passiert?«
    Marisa sagt Gerard dasselbe wie jedes Mal, wenn er aufbricht, um eine Epidemie zu bekämpfen.
    »Töte das Biest, Greg, und komm heil wieder nach Hause.«
     
    Er nimmt auf dem Rücksitz des Vans Platz. Theresa setzt sich nach vorn. Er nennt sie Colonel. Sie ihn Commander. Unter ihrer Förmlichkeit spürt er die Anspannung. Ihre gegenseitige Anziehung auf den Philippinen hatte damit begonnen, dass sie jeden seiner Gedanken zu Ende zu denken schien. Wenn er nach einem Werkzeug langte, hielt sie es schon bereit. Das hatte nichts mit Flirten oder Koketterie zu tun. Es lief nicht einmal bewusst ab. Sie waren einfach auf der gleichen Wellenlänge.
    Möchte wissen, wie es bei Safeway nach den Ausschreitungen aussieht, denkt er.
    Sie sagt: »Wir sind vorhin bei Safeway vorbeigekommen. Der Laden ist völlig demoliert.«
    Wie viele Fahrzeuge es wohl im Fort gibt, die noch funktionieren?
    »Die meisten Autos in Detrick fahren noch«, sagt sie, während der Van sich durch die liegengebliebenen Wagen auf der Connecticut Avenue in Richtung Chevy Chase schlängelt. In allen Wohnungen brennt Licht, da die Leute zu Hause bleiben. Auf der Straße fährt ein Streifenwagen.
    Über einen Nachrichtensender, der im Hintergrund läuft, werden sie ständig auf dem Laufenden gehalten. Bei Epidemien, weiß Gerard, kann es üble Folgen haben, wenn einem wichtige Informationen entgehen. Jetzt gerade wird Os Preston bei sich zu Hause interviewt.
    »Die Katastrophe wird sich wahrscheinlich in Etappen ereignen«, sagt er. »Zuerst wird die Treibstoffversorgung zusammenbrechen. Dann die Lebensmittelversorgung. Die Fabriken werden ihren Betrieb aus Mangel an Schmierstoffen einstellen. Zwischenzeitlicher Stromausfall. In einem Stadtviertel gibt es vielleicht noch Strom, in einem anderen nicht. In einer Gegend werden die Telefone funktionieren, in einer anderen nicht. Schließlich überlappen sich die Gebiete, und dann geht nichts mehr.«
    Die Temperaturen sinken. Die Marion Street braucht Heizöl.
    »Sieht aus, als könnte es schneien. Ich hoffe, Sie haben genügend Heizöl.«
    Ich hoffe, sie weiß auch, woran ich im Moment denke.
    Denn der erste Schnee erinnert ihn jedes Jahr wieder daran, wie er Marisa kennengelernt hat.
    Er war Medizinstudent und entdeckte sie auf einer Party. Es war eins dieser Samstagabendgelage in Adams Morgan mit voll aufgedrehter Rapmusik und beiseitegeschobenen Möbeln, mit Pizzaschachteln und Weinflaschen auf Tischen und Kommoden, selbst auf dem Fußboden. Ein Feuer aus Kiefernholz knisterte im Ofen. Draußen tobte der erste Schneesturm des Jahres, weshalb die Nachtschwärmer nicht wegkamen. Zum Glück hatte Gerard am nächsten Tag keine Seminare und auch beim CDC frei.
    Und dort, quer durch den überfüllten Raum, wie sie seither unzählige Male gewitzelt hatten, knüpfte er Blickkontakt mit einer schlanken, langhaarigen Blondine in Jeans und einem schwarzen, ärmellosen T-Shirt. Von der Uni her kannte er sie nicht.
    Ehe er sichs versah, war es zwei Uhr morgens. Sie hatten stundenlang geredet.

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