Black Monday
Artikel. »Labors benutzen Druckapparate, um Instrumente bei 100 Grad Celsius zu sterilisieren. Kein Lebewesen konnte bisher eine solch hohe Temperatur überleben. Dann entdeckten Ozeanographen das Bakterium Tiiermus aquaticus in unterseeischen Schloten – erloschenen Vulkanen –, das die Druckapparate überlebte.«
Gerard bemerkt, dass jemand das Zimmer betreten hat.
»Noch schockierender ist die Geschichte des Naturwissenschaftlers Paul Brown, der die Rinderseuche BSE studierte, die von Prionen, eine Proteinart, verursacht wird. Brown unterzog ein mit BSE infiziertes Kuhgehirn der Gefriertrocknung, erhitzte dieses eine Stunde lang auf 350 Grad Celsius und verfütterte es später an einen Hamster. Der Hamster wurde von dem Erreger befallen.«
»Dad? Ich weiß jetzt, wie sich die Mikrobe vernichten lässt.«
Paulo steht in seinem Fußballtrikot in der Tür, unter dem Arm einen Stapel Computerausdrucke und Science-Kid -Magazine. Gerard bedeutet dem Jungen mit einer Handbewegung, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Paulo sagt: »Mit Bleichmittel.«
»Meinst du das gute alte Clorox? Aus der Drogerie?«
Der Junge nickt eifrig und wedelt mit seinen Papieren. »Mom hat gesagt, dass Bleichmittel Bakterien töten. Dann könnte man doch auch Bleichmittel ins Benzin tun, bevor es in den Tank kommt? Das Bleichmittel wird die Bakterien töten, oder?«
Gerard legt seinem Sohn einen Arm um die Schultern und wünscht sich, die Lösung wäre so einfach. Er erzählt ihm, was er von Os Preston erfahren hat, als das Thema Desinfektion zur Sprache kam. »Du bist ein kluger Junge, Paulo. Aber leider ist im Bleichmittel Chlor, und Chlor würde das Öl zersetzen. Vielleicht gibt es ja noch eine andere Chemikalie, mit der man die Mikrobe vernichten kann. Die Ölgesellschaften versuchen das mit allen Mitteln herauszufinden. Die Regierung ebenfalls. Alle arbeiten fieberhaft daran.«
»Dann wird das Problem also bald gelöst sein, oder?«
»Ich hoffe es«, erwidert Gerard so ehrlich wie möglich. »Aber selbst wenn wir eine Chemikalie finden, die Delta-3 vernichtet, müssen wir sie erst gründlich testen, um sicherzustellen, dass es auch wirklich funktioniert. Wir werden Monate brauchen, um die nötigen Labors einzurichten. Über acht Milliarden Barrel Öl müssen desinfiziert werden. Und Tausende von Kilometern von Pipelines.«
Paulo wirkt betroffen. »Aber der Mann im Fernsehen hat gesagt, dass wir nur fünfzig Tage, also ab heute nur noch siebenundvierzig Tage Zeit haben.«
Gerard wendet sich wieder den Büchern zu.
»Deshalb werden du und ich dabei mithelfen, herauszufinden, wie sich die Mikrobe vernichten lässt. Ich werde dich jeden Abend aus Fort Detrick anrufen.«
»Weil Wissenschaftler ihre Erkenntnisse austauschen sollen, stimmt's?«
»Ich werde dir so viel erzählen, wie ich kann.«
»Ach ja. Das hab ich ja ganz vergessen. Da ist eine Frau von Fort Detrick, um dich abzuholen. Colonel Novak sieht echt gut aus.«
Gerard springt auf. Ihm ist plötzlich heiß. Und er fühlt sich schuldig. Er will sie nicht hierhaben.
Warum kommt sie zu mir nach Hause, anstatt jemand anderen zu schicken?
»Ich habe gehört, wie sie Mom erzählt hat, dass alle wichtigen Pipelines verseucht sind«, sagt Paulo. »Das ist schlimm, oder?«
Bakterien.
Sie sind der Grund für alle wichtigen Entscheidungen in Gerards Leben. So klein, dass man sie ohne Mikroskop nicht erkennen kann, klein genug, um übersehen zu werden, dennoch groß genug, um Leben zu vernichten.
Bakterien sind der Grund, warum Gerard Paulo und Anne adoptiert hat.
»Es tut mir leid. Sie können keine Kinder zeugen«, hatte ihm der Arzt nach der jährlichen Gesundheitsuntersuchung gesagt – er war damals fünfundzwanzig.
Es war an einem kalten, verschneiten Märznachmittag. Gerard, Medizinstudent an der Universität Georgetown und gleichzeitig CDC-Mitarbeiter, war gerade von einem Einsatz im Amazonasgebiet zur Bekämpfung der Malaria zurückgekehrt, die viele Ölarbeiter das Leben gekostet hatte. Er selbst war davon verschont geblieben, hatte sich jedoch eine Mumps-Orchitis eingefangen, eine Nebenhodenentzündung, die mit hohem Fieber, geschwollenen Drüsen und schmerzenden Hoden einherging.
»Weniger als ein Prozent der Männer, die sich die Orchitis zuziehen, werden steril«, erklärte ihm der Arzt ausgesprochen freundlich.
»Was einem leider nichts nützt, wenn man der eine von hundert ist«, erwiderte Gerard.
Er setzte sich auf und ließ die Beine vom
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