Black Monday
York.
Lewis folgt dem Mann ins Hotel. Aus den Lautsprechern der Lobby dröhnt irische Rockmusik. Grady kramt in seiner Brieftasche nach der Schlüsselkarte, die zu dem Aufzug zu seinem Stockwerk passt.
Lewis folgt Grady in den Fahrstuhl. Sie sind allein. Er kann das Rumoren in Bobbys Bauch hören.
Bobby wendet sich ihm achselzuckend zu und fragt: »Und, wie ist's heute bei Ihnen gelaufen?«
»Nicht schlecht«, antwortet Lewis in seinem Südstaatenakzent. »Und bei Ihnen?«
»Ach, beim nächsten Mal hab ich bestimmt wieder mehr Glück.« .
Lewis tritt vor dem Mann aus dem Aufzug, im elften Stock, geht ihm einen Schritt voraus, um ihn nicht zu beunruhigen. Beide Männer wenden sich an der Kreuzung der Korridore nach links. Lewis stellt fest, dass außer ihnen niemand zu sehen ist. Vor einigen Zimmern stehen Hotelcaddies mit schmutziger Wäsche. Die Klimaanlage produziert eine arktische Kälte, wahrscheinlich um die Gäste am Schlafen zu hindern, denkt Lewis.
»Na, dann viel Glück morgen«, sagt Bobby zum Abschied über die Schulter hinweg, während er seine Schlüsselkarte in den Schlitz schiebt.
Danach ist alles ganz einfach, nur noch Routine.
Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung sticht Lewis Grady in den Rücken, hält ihm mit der rechten Hand den Mund zu, schiebt ihn ins Zimmer, während die linke Hand die Klinge zwischen die dritte und vierte Rippe treibt. Über die Jahre hat er diese Bewegung tausendmal geübt, an Sandsäcken, an Dummys, an Mitgefangenen und an den von seinem Mentor ausgewählten Opfern.
Nur ein paar Sekunden sind verstrichen. Er schließt die Tür. Robert Grady liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem Teppichboden, die Augen zum Badezimmer gerichtet, während sich das Blut auf seinem Hemd ausbreitet. Er hat sich im Sterben in die Hose gemacht und sich kein bisschen zur Wehr gesetzt. Die Klimaanlage sollte den fürchterlichen Gestank eine Weile dämpfen, bevor er in den Korridor dringen und trotz des »Bitte nicht stören«-Schilds an der Tür ein Zimmermädchen auf den Plan rufen wird. Der Fernseher läuft. Das Fenster steht einen Zentimeter ‘weit offen, mehr geht nicht. Weiter lassen sich Hotelfenster in Las Vegas nicht öffnen, wahrscheinlich damit verzweifelte Verlierer nicht rausspringen, denkt Lewis.
Nun ist Zeit, irreführende Spuren zu legen. Lewis zieht die Latexhandschuhe über.
Er entwendet die Brieftasche mit einem Packen Hundertdollarscheine. Aus seiner Tasche holt er ein durchsichtiges Plastiktütchen heraus und entnimmt ihm einen goldenen Ohrring, ein wertvolles Stück, das er neben einem Spielautomaten gefunden hat. Am Verschluss klebt noch etwas getrocknetes Blut. Er lässt den Ohrring auf den Teppichboden fallen.
Anschließend öffnet er ein Fläschchen mit billigem Parfüm und verschüttet so viel davon, dass der Geruch noch in dem Teppich haften wird, wenn er das Fläschchen wieder in dem Tütchen verstaut.
Danach hinterlässt er auf dem frisch gemachten Bett zwei Abdrücke, als hätten zwei Leute dort nebeneinandergesessen. Die Polizei wird zu dem Schluss kommen, dass Robert aufgestanden ist und auf dem Weg ins Bad von hinten erstochen wurde.
Zum Schluss sticht Lewis wie verrückt mit der linken Hand auf Gradys Körper ein, rammt die Klinge in Hals und Hinterkopf, damit der erste Stich nicht als die tödliche Verletzung erkannt wird.
Lewis Stokes – der im weiteren Verlauf der Nacht zu Clayton Cox werden wird – beschließt, ebenso wie sein Ururgroßvater eines Tages seine Memoiren zu schreiben. Vielleicht wird er schon während der nächsten Wochen damit anfangen, wenn er den Auftrag erhält, nach Washington zu fahren, um gewisse Mitarbeiter des Pentagons zu überwachen und auf Anweisungen des Mannes zu warten, der sein Leben verändert hat.
Täuschung ist der Schlüssel zum Erfolg.
Die Leuchtziffern der Digitaluhr auf dem Nachttisch springen auf 0 Uhr 14.
Ich hin gespannt, was in einer Minute geschehen wird.
Höchste Zeit, von hier zu verschwinden und Las Vegas hinter sich zu lassen. Der Mentor hat eine sichere Route ausgearbeitet.
Denn, wie Lewis' Ururgroßvater für die Geschichtsschreibung, für Regierungen und für die Gelehrten festgehalten hatte: »… auf unsere Köpfe waren Preise gesetzt, die bewiesen, dass uns der Feind scheußliche Marter zugedacht hatte, wenn er uns fing.«
2. KAPITEL
28. Oktober. Der Ausbruch.
Mitternacht in Las Vegas ist 10 Uhr morgens in Katar, dem kleinen, märchenhaft reichen Ölstaat an der Südwestküste
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