Black Rabbit Summer
über mich wie ein großer schwarzer Riese...
Pete...?
... mit einem Riesenschädel und einem Riesenmaul und einer Riesenhand, die nach mir fasste.
»Pete?«
Die Stimme des Riesen war tief und langsam und ohne Ursprung. Sie war gedehnt und kam von überall und nirgends. Es war erschreckend. Ich duckte mich ängstlich fort, wimmerte wie ein Kleinkind und bedeckte meine Augen mit meinen gefühllosen Händen...
»Was ist los, Pete? Was tust du da?«
|205| Die Stimme klang plötzlich sanft.
Und vertraut.
Und als ich die Augen aufschlug und den Schweiß wegblinzelte, war wieder alles normal. Mein Zimmer war bloß mein Zimmer. Es gab keine lächelnden C D-Player , keine sprechenden Kaninchen oder Pferde mit Schnauzbärten. Es gab auch keine schwarzen Riesen mit Riesenschädeln und Riesenhänden. Es gab nur meinen Vater, der neben meinem Bett stand und mir vorsichtig die Hände entgegenhielt.
|206| Vierzehn
V ermutlich glaubte mir Dad nicht so richtig, als ich ihm erzählte, er müsse sich keine Sorgen machen, ich hätte nur einen Albtraum gehabt. Doch irgendetwas anderes hätte er wohl auch nicht glauben wollen. Ich meine, er hätte ja auch denken können, ich wäre geistesgestört oder im Fieberwahn oder total durchgeknallt von irgendwelchen Drogen oder sonst was, aber so etwas wollte er wohl lieber nicht an sich rankommen lassen. Also stand er bloß eine Weile da, sah schweigend zu, wie ich mich im Bett aufsetzte und mir den Schweiß aus dem Gesicht wischte, um dann, nach ungefähr einer Minute nachdenklichen Schweigens, in sich hineinzuseufzen, sein Zögern beiseitezuschieben und sich auf der Bettkante niederzulassen.
»Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte er.
»Ja...«
»Du siehst aber nicht so aus.«
Ich lächelte ihn an. »Das war bloß ein Albtraum, Dad. Wirklich... es geht mir gut.«
Das stimmte natürlich nicht. Es ging mir überhaupt nicht gut. Ich fühlte mich schwer und taub, als ob mir jemand Blei in die Adern gespritzt hätte. Es kribbelte an allen Gliedern, meine Augen waren zu weit aufgerissen und mein Kopf...
|207| Gott, mein Kopf fühlte sich so seltsam an.
»Wieso bist du angezogen?«, fragte Dad.
»Was?«
»Es ist noch nicht mal acht Uhr.«
Ich schaute mich um, rieb mir die Augen, auf einmal völlig verwirrt wegen der Uhrzeit. Ich hatte gedacht, es wäre gegen Mitternacht, und jetzt behauptete Dad plötzlich, es sei acht Uhr, was überhaupt keinen Sinn ergab, denn abends um acht wäre es doch nicht dunkel... aber als ich zum Fenster hinüberschaute und das Sonnenlicht hereinströmen sah, begriff ich, dass es gar nicht mehr dunkel
war
...
Natürlich
war es nicht dunkel. Denn es war acht Uhr
morgens
.
Es war Montagmorgen.
Ich hatte weiß der Himmel wie lange geschlafen.
Ich konnte es nicht fassen.
Ich sah Dad an und versuchte meine Verwunderung zu verbergen. »Ich war müde«, erklärte ich ihm. »Ich muss beim Fernsehen eingeschlafen sein.«
Er warf einen Blick auf den Bildschirm, über den noch immer Sky News flimmerte. Es ging um Aktien und Dividenden.
Ich sagte zu Dad: »Bist du gerade erst von der Arbeit gekommen?«
Er nickte. »Vor ungefähr einer halben Stunde.«
»Ich dachte, du wolltest
gestern
heimkommen. Am Telefon hast du zu mir gesagt, du wärst in einer Weile wieder zu Hause.«
»Ja, ich weiß, aber dann gab es immer wieder was Neues... ich bin einfach nicht weggekommen.« Er sah mich an. »Wir müssen reden, Pete. Und wir haben nicht viel Zeit.«
»Wie meinst du das?«
|208| Er schwieg einen Moment und sah mir in die Augen. Dann holte er tief Luft und sagte: »Einer meiner Kollegen wird in einer halben Stunde vorbeikommen, um mit dir über Raymond und Stella zu sprechen. Ich weiß nicht, ob er schon eine schriftliche Aussage aufnehmen wird, aber in jedem Fall wird er alles wissen wollen, was am Samstagabend passiert ist. Und ich meine wirklich
alles
– hast du verstanden?«
»Ich hab dir doch schon gesagt, was passiert ist.«
»Du hast mir aber nicht alles erzählt, stimmt’s?«
Ich zuckte die Schultern.
Er sagte: »Hör zu, das ist wirklich wichtig, Pete. Ich weiß, es ist ein bisschen heikel für dich, aber die Polizei muss wissen, was passiert ist.«
»Warum kann ich es nicht einfach
dir
sagen?«, fragte ich. »Wieso müssen sie jemand anderen vorbeischicken, um mit mir zu reden? Du könntest doch auch meine Aussage aufnehmen, oder nicht?«
Dad schüttelte den Kopf. »So einfach geht das leider nicht, fürchte ich.«
»Wieso
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