Black Rabbit Summer
nicht?«
»Weil du in die Sache verwickelt bist.« Er holte noch einmal tief Luft, und als er sie langsam wieder ausstieß, spürte ich, wie die Erschöpfung aus ihm herausdrang. »Du warst mit Raymond zusammen«, sagte er müde, »und Raymond wird noch immer vermisst. Und ihr wart beide auf der Kirmes, als Stella Ross verschwand.« Er sah mich an. »Du bist also in die Sache verwickelt, Pete. Und ich bin dein Vater. Und das bedeutet, ich
darf
nicht beteiligt sein.«
»Wieso nicht?«
»Interessenskonflikt«, sagte er bloß. »Wenn je etwas vor Gericht käme und einer der Zeugen entpuppte sich als Sohn |209| eines der Untersuchungsbeamten ... Tja, wahrscheinlich würde der Fall unter solchen Umständen erst gar nicht vor Gericht
landen
.« Er seufzte. »Deshalb bin ich offiziell seit heute Morgen sieben Uhr von dem Fall suspendiert. Ich dürfte eigentlich nicht mal mit dir drüber sprechen.«
»Aber du tust es.«
Er lächelte mich an. »Ich versuche mein Bestes.«
Ich sah ihn an. »Gibt es irgendwas Neues über Raymond?«
Er schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht.«
»Was ist mit Stella?«
Er schaute auf seine Uhr. »Schau, wir haben nur noch ungefähr zwanzig Minuten...«
Er unterbrach sich und horchte auf einen Wagen, der draußen hielt. Ich hörte, wie eine Autotür geöffnet und wieder zugeschlagen wurde –
klonk, klonk
–, dann Schritte, die sich dem Haus näherten. Dad stand auf und ging hinüber zum Fenster.
»Mist«, sagte er und warf einen Blick auf seine Uhr. »Er ist früh dran.«
Es klingelte an der Tür.
Dad wandte sich vom Fenster ab und sah mich an. »Du kennst doch John Kesey, oder?«
Ich nickte. John Kesey war Kriminalmeister und arbeitete schon seit Jahren mit Dad zusammen. Die beiden waren auch außerhalb der Arbeit Freunde. Gute Freunde.
»Also, pass auf«, sagte Dad schnell. »Ich will, dass du John die Wahrheit sagst, okay? Was immer er fragt, egal wie peinlich es dir ist, erzähl ihm einfach die Wahrheit. Hast du verstanden?«
»Ja, aber –«
»Ich werde dabei sein, wenn er mit dir spricht, aber denk |210| nicht, du müsstest etwas vor mir verbergen.« Er kam herüber und legte mir seine Hand auf die Schulter. »Hör zu, ich weiß von der Flasche Wein, die du hast mitgehen lassen, okay? Und ich weiß, dass du ein bisschen betrunken warst... wahrscheinlich hast du auch noch ein paar andere Sachen gemacht, von denen du mir lieber nichts erzählen würdest. Aber das spielt keine Rolle. Okay? Erzähl ganz einfach die Wahrheit und verheimliche
nichts
. Ist das klar?«
»Ja...«
Es klingelte wieder.
»Gut«, sagte Dad und ging zur Tür, »dann los.«
Als wir nach unten kamen, hatte Mum John Kesey bereits hereingelassen und beide warteten im Wohnzimmer auf uns. Kesey sah so ziemlich aus wie immer – irgendwie blass und kränklich, als ob er die ganze Zeit in dunklen Pubs zubrächte. Er war ungefähr so alt wie Dad, doch er wirkte verbrauchter und stärker gestresst. Er hatte müde Augen, nikotinfleckige Finger und sein Atem roch nach schalem Bier und Pfefferminz.
Er nickte Dad zu, als wir ins Zimmer kamen.
»Hi, John«, sagte Dad und nickte zurück. »Du bist früh dran.«
»Ja, tut mir leid, Jeff, wir konnten nicht warten. Du weißt, wie das ist... wenn du willst, bleib ich noch ein paar Minuten draußen im Wagen.«
»Nein«, sagte Dad, »ist schon in Ordnung.«
»Sicher?«
»Ja.«
Kesey sah mich an. »Okay, Pete?«
Ich nickte.
|211| Er lächelte mir zu.
Dad fragte ihn: »Willst du Kaffee oder so?«
»Ja, das wär super, danke.«
Dad sah zu Mum rüber. »Macht es dir was aus, Schatz?«
Mum warf mir einen Blick zu und lächelte, dann schaute sie wieder zu Dad. Einen Moment dachte ich, sie würde etwas zu ihm sagen, doch sie ließ es bleiben. Stattdessen sah sie ihn nur ein paar Sekunden an und ließ ihn spüren, was sie dachte – was immer das sein mochte –, dann wandte sie sich um und ging hinaus in die Küche.
Dad fragte Kesey: »Nimmst du eine Aussage auf?«
»Im Moment noch nicht«, antwortete Kesey. »Der Oberkommissar will erst alles zusammentragen. Wir wissen noch nicht genau, wonach wir eigentlich suchen.« Dann sah er wieder mich an. »Wir wollen dir nur ein paar Fragen stellen, wenn das okay ist.«
Ich zuckte die Schultern.
Dad fragte ihn: »Was dagegen, wenn ich dabeisitze?«
Kesey schüttelte den Kopf. »Solange du nicht –«
»Ja, ich weiß. Ich halte den Mund.«
Kesey schaute etwas verlegen. »Hör mal, es tut mir leid, Jeff. Ich weiß,
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