Black Rabbit Summer
einfach im Garten beerdigt, direkt neben dem ursprünglichen Black Rabbit, dann war er losgegangen und hatte einen neuen gekauft. Das heißt, für Raymond war es kein neuer, denn inzwischen war er – oder zumindest ein Teil von ihm – überzeugt, dass Black Rabbit ewig lebte.
Ich sah zu Raymond hinüber. Er beobachtete das Kaninchen, saß einfach nur da und beobachtete es, völlig zufrieden. Und ein Teil von mir beneidete ihn dafür. Ich wusste, dass das falsch war, denn Raymonds Seelenfrieden war nicht normal – was immer das heißt – und mir war klar, dass irgendetwas in seinem Kopf nicht ganz stimmte. Doch ab und zu kam mir eben der Gedanke, wie schön es sein müsste, in den einfachsten Dingen solch eine Zufriedenheit zu finden.
Ein Stück weiter weg begann ein Rasenmäher zu dröhnen |32| und der Geruch von frisch gemähtem Gras lag in der Luft. Ich ertappte mich dabei, wie ich dachte:
Grün ist frisch wie Wasser.
Und:
Schöner Himmel heute Abend
...
Ich wischte mir einen Tropfen Schweiß von der Augenbraue.
»Nicole hat mich gestern Abend angerufen«, sagte ich zu Raymond.
Er sah mich an. »Nicole?«
»Ja... sie hat gefragt, ob wir Lust hätten, morgen Abend mit auf die Kirmes zu gehen. Du weißt, die Kirmes auf dem Parkgelände.«
Raymond sagte nichts, sondern sah mich nur verwundert an.
»Ja, ich weiß«, sagte ich. »Ich war selbst ein bisschen überrascht, von ihr zu hören. Sie hat diese Idee, dass wir uns alle mal wieder treffen, du weißt schon, die alte Clique... so eine Art Abschiedsfete, bevor sie verschwinden.«
»Wer verschwindet?«
»Nicole und Eric... sie gehen im September nach Paris.«
»Ja, ich weiß.«
»Und Pauly geht nicht weiter zur Schule –«
»Pauly?«
»Ja.«
»Pauly kommt zur Kirmes?«
Raymond schaute auf einmal beunruhigt.
»Schon gut«, sagte ich. »Wir müssen nicht hin, wenn du nicht willst. Ich meine, ich weiß nicht mal selbst, ob ich will.«
»Sie mag dich«, sagte Raymond.
»Was?«
»Nicole – sie mag dich.«
»Kann schon sein«, sagte ich. »Dich aber auch. Schon immer.«
|33| »Nicht so.«
»Nicht wie?«
»Nicht so wie dich«, sagte er und lächelte mir zu.
Ich sah ihn schräg an. »Was soll das heißen?«
Einen Moment lang sagte er nichts, sondern lächelte mir nur weiter zu, doch dann blinzelte er steif, senkte den Kopf und das Lächeln verschwand. »Kommt Pauly zusammen mit Wes Campbell?«, fragte er.
Das war eine gute Frage, eine Frage, die ich mir seit Nicoles Anruf selbst gestellt hatte: Wenn Pauly käme, hieß das dann, Wes Campbell und seine Jungs würden auch da sein?
Wes Campbell war zwei Jahre älter als wir andern und in unseren Kindertagen hatten wir uns aus Angst vor ihm in die Hosen gemacht. Andauernd waren wir weggelaufen vor ihm und seiner Bande, einem Haufen harter Jungs aus der Greenwell-Siedlung.
Ich erinnere mich, wie Raymond und ich mal auf unseren Fahrrädern aus der Stadt kamen... wir waren damals zehn oder elf, vielleicht auch ein bisschen älter. Jedenfalls fuhren wir zur Abkürzung den kleinen Pfad am Fluss entlang, da hörte ich plötzlich dieses zischende Geräusch – so als würde etwas durch die Luft schießen, dann gab es einen kurzen dumpfen Knall und auf einmal –
ping!
– schwirrte etwas von Raymonds Fahrradrahmen zurück. Auch Raymond hörte es, wir hielten an und schauten uns um.
Und genau da sahen wir einen von Campbells Jungs. Er stand in einem kleinen Gehölz am Wegrand und zielte mit einem Luftgewehr auf uns. Als er grinste und wieder abdrückte, |34| traten wir in die Pedale und rasten davon, doch plötzlich sahen wir Campbell und ein paar andere Jugendliche ein Stück weiter vorn auf dem Weg stehen und auch von denen hatten einige Luftgewehre dabei. Und sie brüllten und lachten und jagten uns eine Höllenangst ein, sie versetzten uns in totale Panik...
Verdammt, so viel Schiss hatte ich noch nie gehabt. Und Raymond... also, Raymond war so fertig, dass er sich am Ende tatsächlich in die Hose machte. Ich habe das nie vergessen. Ich strampelte wie ein Irrer hinter ihm her, meine Waden pochten, meine Lunge platzte und zuerst wusste ich gar nicht, was los war. Erst als Raymonds Rad vor mir langsamer wurde und ich aufschaute, um festzustellen, wieso... sah ich, wie er sich seltsam steif in den Pedalen aufrichtete, sich wand und vorne an seiner Hose herumfummelte... doch selbst da brauchte ich noch einen Moment, bis ich begriff, dass die Hose klatschnass war und er ein Rinnsal hinter sich
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