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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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beide. Selbst wenn Dad nicht bis spätabends arbeitet oder Nachtschicht hat, kriegen wir ihn nur selten zu Gesicht. Es gibt immer irgendwas zu erledigen – Überstunden, Papierkram, Kurse, Übungen. Eigentlich macht es mir nichts aus, dass ich ihn nicht so oft sehe. Ich meine, es ist mir nicht
recht
, aber ich bin dran gewöhnt. Ich bin damit aufgewachsen, so wie ich mit all dem andern Mist aufgewachsen bin, der dazugehört, wenn man der Sohn eines Polizeibeamten ist. Ich hab mich an die Verdächtigungen, das Misstrauen, die doofen Witze gewöhnt. Nicht dass mir Dads Beruf
missfällt
, ich finde ihn gut. Aber manchmal wünschte ich mir, er hätte einen normaleren Job. Eine ganz gewöhnliche Stelle. |42| Von neun bis fünf, Montag bis Freitag. Keine Arbeit am Wochenende, keine besorgte Mum, kein ausgelaugter Dad.

    Ich sah Mum an und wusste, sie machte sich keine allzu großen Sorgen wegen der langen Schichten und Überstunden und der Tatsache, dass Dad ständig müde war. Das Einzige, wovor sie wirklich Angst hatte – das Einzige, wovor sie überhaupt Angst hatte –, war die Möglichkeit, dass Dad, wenn er zur Arbeit ging, vielleicht nicht mehr zurückkommen könnte.
    Sie drückte die Zigarette aus und lächelte mich an. »Alles in Ordnung?«
    Ich lächelte zurück. »Ja.«
    »Gut. Wie geht’s Raymond? Du warst doch gestern bei ihm, oder?«
    »Ja, er ist okay. Du weißt schon... der alte Raymond wie eh und je. Er geht heute Abend mit auf die Kirmes.«
    Mum hob die Augenbrauen.
    »Was ist?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts... Wann wollt ihr los?«
    »Gegen neun.« Ich zupfte an meinem T-Shirt , um mir ein bisschen Kühlung zu verschaffen. »Ein paar von uns gehen danach vielleicht noch zu Nicole. Sie und Eric machen so eine Art Abschiedsfete. Die beiden haben gesagt, ich kann bei ihnen übernachten, wenn ich will.«
    Mum grinste.
»Die beiden?«
    »Ja«, sagte ich und wurde ein bisschen rot. »Pauly wird wahrscheinlich auch da sein und Eric natürlich...«
    »Und Nicole.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist nur eine alte Freundin, Mum.«
    |43| »Ich weiß«, sagte sie lachend. »Ich mach ja nur Spaß.«
    »Ist das okay, wenn ich dort übernachte?«
    Sie nickte. »Ich seh keinen Grund, wieso nicht. Aber denk dran, dass du dein Handy mitnimmst. Und pass auf dich auf, ja?«
    »Klar.«
    Sie wischte sich etwas Schweiß von der Stirn und blinzelte hinauf in den Himmel. Die Luft flirrte jetzt, war dunstig vor lauter Hitze und in der Ferne sah ich Dinge, die es nicht gab – silberne Meere, schwebende Bilder, Spiegelungen am Horizont. Die Hitze verfälschte die Welt.
    »Heute Abend solltest du aber lieber eine Jacke mitnehmen«, sagte Mum.
    Ich sah sie an. »Was?«
    »Ich glaub, es gibt ein Gewitter.«

    Den Rest des Tages verbrachte ich mit Nichtstun – ich hing bloß rum und wartete, dass endlich Abend wurde. Ich geb es ja ungern zu, aber ich freute mich richtig, mal wieder etwas zu unternehmen. Ich war noch ein bisschen skeptisch, was das Wiedersehen mit Nicole und den andern betraf, und den ganzen Tag über hörte ich den Widerhall einer schwachen flüsternden Stimme irgendwo in meinem Hinterkopf –
pass auf, geh nicht... pass auf, geh nicht
–, doch ich war entschlossen, sie zu ignorieren. Ich war seit einer Ewigkeit nicht mehr weggegangen. Ich hatte mich schon so lange auf nichts mehr gefreut. Da würde ich mir von einer albernen Flüsterstimme im Hinterkopf doch nicht den Tag verderben lassen.
    Ich konnte sie sowieso nicht hören.
    Sie war nicht da.

    |44| Dad wachte um die Mittagszeit auf und es gelang mir, ihn etwa zehn Minuten zu Gesicht zu bekommen, bevor er wieder zum Dienst musste. Er war in Eile – saß in der Küche und schlang etwas Schinken und Ei hinunter –, deshalb war nicht viel Zeit zum Reden.
    »Alles okay?«, fragte er mich.
    »Ja.«
    »Irgendwas vor heute Abend?«
    »Raymond und ich gehen auf die Kirmes.«
    Er nickte und kaute dabei energisch. »Hm, pass aber auf dort.«
    Ich grinste in mich hinein und fragte mich, wie viele Leute mich wohl noch warnen würden, ich solle aufpassen.
    »Ich meine das ernst, Pete«, sagte Dad. »Es hat die letzten Abende ein paar Mal Ärger auf der Kirmes gegeben, also schau, dass du die Augen aufhältst, okay?«
    »Was denn für Ärger?«
    »Bloß das Übliche – Schlägereien, Drogen, Diebstähle. Heute Abend wird es noch heißer und voller, da geht es dann vielleicht noch schlimmer zu.«
    »Ich pass auf mich auf, Dad«, versprach

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