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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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herzog.
    Es gab auch noch andere schlimme Erlebnisse mit Campbell. Und Raymond und ich waren nicht die Einzigen, die unter ihm zu leiden hatten. Campbell hatte es auf uns alle abgesehen – Eric, Nicole, Pauly... im Prinzip auf jeden, der kleiner war als er. Kleiner oder anders. Schwächer oder jünger... was auch immer. Kann man sich ja vorstellen, wie so was läuft. Mit elf hat doch jeder seinen Wes Campbell, oder?
    Diese Dinge gehörten inzwischen weitgehend der Vergangenheit an. Keiner von uns hatte in letzter Zeit Ärger mit Campbell gehabt, aber damals hatten wir alle eine Scheißangst vor ihm. Deshalb war es ja so merkwürdig, dass Pauly auf einmal mit Campbell und den andern rumhing. Ich hatte sie in der Stadt zusammen gesehen, wo sie auf der Hauptstraße |35| Leute anpöbelten, und gerüchteweise hatte ich auch gehört, dass er mit ihnen auf Sauftour ging.
    Deshalb wusste ich natürlich, was Raymond meinte, und in gewisser Weise teilte ich seine Bedenken. Doch andererseits war mir klar, dass sich die Dinge ändern – Leute werden erwachsen, ihre Ängste verschieben sich, die Albträume der Kindheit verfolgen sie nicht mehr so stark. Das galt zwar nicht für mich oder Raymond, aber wenn Pauly unbedingt seine Zeit mit den Albtraumgestalten unserer Kindheit verbringen wollte... dann war das seine Sache. Ändern konnte ich sowieso nichts dran.

    Ich sah Raymond an. »Es sind nur wir fünf«, erklärte ich. »Du und ich, Nicole, Eric und Pauly. Nicole will, dass wir uns alle in der alten Hütte am Drecksweg treffen, erinnerst du dich? Das Ding oben an der Böschung bei der Fabrik. Nur wir fünf... sonst hat keiner Zutritt. So eine Art Hüttenfete.«
    Raymond lächelte skeptisch. »Hüttenfete?«
    »Ja, wie in alten Zeiten – jeder bringt eine Flasche mit, wir trinken ein bisschen was...«
    »Sonst darf keiner kommen?«
    »Keiner.«
    Raymond entspannte sich jetzt ein bisschen. Der besorgte Blick verschwand aus seinen Augen und er schien verhalten interessiert. Er war immer gern in unseren Hütten gewesen – ich glaube, er fühlte sich dort sicher und geborgen. Für uns andere waren sie einfach Orte, wo wir uns trafen, Orte, wo wir uns aufhielten, Orte, wo wir Dinge taten, die wir nicht sollten. Doch für Raymond waren sie wohl eine Art Zuflucht, ein Schutzraum vor der großen bösen Welt. Manchmal ging er sogar allein in eine von unseren Hütten, was ich |36| immer toll fand – einfach allein dort sitzen, verborgen an einem geheimen Ort, und keiner weiß, wo man steckt...
    Ich wünschte,
ich
hätte den Mut dazu gehabt.
    »Und«, sagte ich zu Raymond. »Was meinst du? Hast du Lust, mitzugehen?«
    Er zuckte die Schultern. »Weiß nicht...«
    »Wir können auch bloß zur Hütte gehen, wenn du willst... nur für ’ne Stunde oder so. Wir müssen danach ja nicht mit auf die Kirmes.«
    »Was ist mit Pauly?«
    »Der ist okay... mach dir keine Sorgen. Ich meine, du weißt, wie er tickt – solange wir unter uns sind, wird er weiter der alte Pauly sein.«
    »Der alte Pauly«, murmelte Raymond.
    »Ja, ich weiß...«
    »Früher ist er hier manchmal vorbeigekommen.«
    »Ich weiß.«
    »Er hat mir das Gefühl gegeben, er wäre okay.«
    Langsam wirkte er wieder bedrückt.
    »Schon gut«, sagte ich. »Macht ja nichts, wenn du nicht hinwillst. Ich meine, ist kein Problem.«
    Er sah mich an. »Aber du willst doch, oder?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ist mir egal.«
    Er lächelte. »Ich seh’s doch.«
    »Was siehst du?«
    »Dass du Nic treffen willst.«
    »Nein, ist mir egal, wirklich.«
    »Ich seh’s dir an.«
    »Tja, dann irrst du dich eben...«
    Er zuckte die Schultern und lächelte mich weiter an.
    Ich schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich Nic treffen |37| wollen?«
    »Weil...«
    »Weil was?«
    »Keine Ahnung... einfach weil.«
    Ich schüttelte wieder den Kopf. »Du weißt nicht, wovon du redest, Raymond.«
    Er grinste mich an. »Und ob.«
    »Ich meine, ich hätte nichts
dagegen
, sie zu sehen... mich von ihr zu verabschieden und so... aber wenn nicht, ist es auch egal.« Ich sah ihn an. »Da ist nichts mehr zwischen uns, wenn du das meinst.«
    »Aha.«
    Ich starrte ihn an und versuchte sauer zu wirken, doch es gelang mir nicht. So wie er dasaß, mich mit aufgerissenen Augen anstarrte und sich einen abgrinste... es half nichts, ich musste einfach zurücklächeln.
    »Ich weiß gar nicht, wieso ich dir überhaupt zuhöre«, antwortete ich.
    »Wie bitte?«
    Ich grinste zurück. »Findest du dich lustig?«
    Er lachte.

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