Black Rain: Thriller (German Edition)
Steine vom Computerprogramm des NRI unzutreffend gedeutet worden wären, die unberührte goldene Wiege bewies die Existenz von Maya-Schrift im Amazonasgebiet. Wie Danielle ihm am Vorabend gesagt hatte, war da draußen irgendetwas.
Er blickte zur Leinwand zurück. Die in Gold gemeißelten Symbole starrten ihm entgegen, und er dachte an den Kontrast: Tulan Zuyua und Xibalba, eine Art Paradies und die Tore zur Hölle selbst. Unwillkürlich fragte er sich, was von beidem sie finden würden.
Zehntes Kapitel
Das blasse Mondlicht drang durch winzige Lücken in den Bäumen bis auf den unebenen Boden. Es war ein schwaches Licht, aber es reichte dem jungen Mann aus dem Stamm der Nuree, damit er seine Beute verfolgen konnte.
Er bewegte sich lautlos durch den Wald und folgte der schlurfenden Spur des Tiers, das er jagte – ein großer, brauner Tapir, zweihundertfünfzig Pfund schwer. Er trat vorsichtig auf, weil er seine Chance nicht zunichtemachen wollte. Es war eine lange Jagd gewesen, und dieses Tier war das erste größere Wild, das er seit Wochen zu Gesicht bekommen hatte. Wenn es ihn hörte, würde es zum Fluss zurückrennen, wo Tapire ihre Tage verbrachten und darauf warteten, bis es dunkel wurde und sie nach Nahrung stöbern konnten.
Er hielt inne, als er einen neuen Duft bemerkte: Rauch. Nicht der angenehme Holzduft eines guten Feuers, sondern der abgestandene, scharfe Rußgeruch eines ausgebrannten Feuers.
Eine Minute später kam er zur Quelle dieses Geruchs. Zwischen den Bäumen schwelte etwas, das wie ein Komposthaufen aussah: Laub, Äste und verbrannte Reste von Farnwedeln türmten sich geschwärzt und versengt vor ihm auf. Eine graue Rauchfahne hing darüber und schmiegte sich wie eine Geistererscheinung über den kleinen Hügel.
Er trat näher an den Haufen. Die verbrannte Masse war auseinandergefallen, die oberste Schicht war herabgerutscht. In dieser Schicht lagen die verbrannten Überreste eines Menschen. Er betrachtete die verkohlten Knochen.
»Chokawa«, murmelte er angewidert, das Nuree-Wort für das Volk der Chollokwan, den fremden Stamm, der sein Gebiet gelegentlich bis an ihre Grenzen ausdehnte und jeden angriff, der in ihr Territorium eindrang. Sein Onkel fürchtete diese Leute und ermahnte ihn, nicht in ihr Territorium einzudringen; er nannte sie »Schattenmenschen« und behauptete, sie würden böse Dinge tun.
Der junge Mann selbst war weniger furchtsam, aber an dieser merkwürdigen Stätte hielt er inne; er wusste jetzt mit Bestimmtheit, dass er das Territorium der Chollokwan betreten hatte, und seine Besorgnis nahm zu. Einen Augenblick lang überlegte er umzukehren, aber dann fiel sein Blick wieder auf die Tapirspur, und er beschloss, weiter vorzustoßen.
Minuten später kam er in die Nähe des stöbernden Tiers. Er blieb stehen, und nun sah er es zum ersten Mal; es wühlte sich auf der Suche nach bestimmten Pflanzen durch das Unterholz. Er hob den Speer, spannte seinen Körper und schleuderte die Waffe.
Der Speer traf das Tier in die Seite. Es quiekte vor Schmerz und stürmte in den Wald. Der Nuree-Jäger rannte ihm nach, Bäume und Büsche flogen links und rechts an ihm vorbei. Er konnte die fliehende Kreatur verfolgen anhand der Geräusche, die sie machte, des keuchenden Atems, des Grunzens und des Brechens von Zweigen.
Das verletzte Tier lief, so schnell es konnte. Aber der Jäger war nicht weniger schnell und kam ihm bald näher. Plötzlich hörte er ein kurzes, schrilles Quieken ein Stück voraus und nahm an, es sei endlich zu Boden gestürzt, aber als er an die Stelle kam, lag dort nur sein Speer auf der Erde, getränkt vom Blut des Tapirs und mit Büscheln von dunklem Fell. Der Tapir war nirgendwo zu sehen.
Einen Moment lang vermutete er, das Tier habe den Speer abgeschüttelt und sei entkommen, aber seine Spur endete einfach. Als hätte es sich in Luft aufgelöst.
Er hob seinen Speer auf und prüfte die Spitze, um sich zu vergewissern, dass sie noch intakt war. Dabei hörte er ein leises Rascheln, das aus den Büschen vor ihm kam. Er spannte alle Muskeln und lauschte. In der Stille hörte er ein flaches Atmen. Mit wurfbereitem Speer schlich der Jäger zu dem Gebüsch, hob die Waffe hoch über den Kopf und stieß sie mit aller Kraft nach unten.
Die Spitze prallte von etwas Hartem ab. Der Schaft splitterte und ließ seine Hände taub werden. Eine schwarze Gestalt sprang ihn aus dem Dickicht an. Er sah einen Kiefer voller dolchartiger Zähne aufblitzen und roch den Gestank
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