Black Rain: Thriller (German Edition)
Energie verbrauchten, als sie je erzeugen konnten. Hunderte Millionen waren für Entwicklungsprüfstände ausgegeben worden, die grundlegende Daten liefern sollten, und nun flossen weitere Milliarden in den nächsten Schritt, eine gewaltige Konstruktion in Südfrankreich namens ITER, was übersetzt irreführender Weise »der Weg« bedeutet. Aber man kam nur langsam voran auf diesem Weg. Der Bau würde erst 2016 abgeschlossen sein, und selbst wenn alles nach Plan lief, würde es nur zu noch größeren und teureren Prototypen führen.
Selbst die Optimisten erwarteten ein funktionierendes System erst in fünfzig Jahren, und nach Ansicht der Realisten würde es zweimal so lange dauern. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde die Energiequelle des 21. Jahrhunderts erst Anfang des 22. zur Verfügung stehen.
Das war viel zu spät für Richard Kaufman. Sein Ziel war eine andere Form von Fusion, eine umstrittenere: Kalte Fusion, ein kleineres Konzept, für alle Zeit mit dem Makel seiner Entstehung behaftet.
»Also«, begann Kaufman. »Angenommen, die NRI-Leute sind keine Dorftrottel, sind sie dann einer Sache auf der Spur oder nicht?«
Lang wich aus.
» Falls ihre Messungen stimmen, ja, dann könnten sie etwas auf der Spur sein.«
»Erklären Sie es.«
»Ihren Beschreibungen zufolge haben sie anscheinend vier Kristalle studiert, von denen zwei Einschlüsse enthielten, Fädchen von Palladium. Und es stimmt, bei fast allen erfolgreichen Experimenten mit kalter Fusion wurde Palladium eingesetzt. Selbst Fleishman und Pons benutzten Palladium, ehe sie als Ketzer verbrannt wurden.«
Fleishman und Pons waren die Forscher, die die kalte Fusion entdeckt hatten. Man pries sie eine Weile, ehe die Anhänger der heißen Fusion, die um ihre Mittel und Zuschüsse fürchteten, zum Angriff übergingen und die beiden samt ihrer mangelhaft aufgebauten Experimente scharf kritisierten. Sehr schnell fanden sich Fleishman und Pons um ihren Ruf gebracht, ihr Konzept wurde gemieden und als Schwindel eingestuft. In der Folge weigerten sich wissenschaftliche Journale, Arbeiten über kalte Fusion zu veröffentlichen, während Universitäten ihren Mitarbeitern verboten, auf diesem Gebiet zu arbeiten. Auch nur Interesse an dem Thema zu äußern, galt als sicherer Todesstoß für eine Karriere.
»Palladium«, wiederholte Kaufman und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Interessant. Was noch?«
Lang pflückte einen Ausdruck von dem Stapel und reichte ihn Kaufman. »Falls das NRI richtig liegt, zeigen die Kristalle Folgendes: eine Hintergrundstrahlung, die mit einer schwachen Energiereaktion übereinstimmt; Hinweise auf Metallumwandlungen in den Einschlüssen, hauptsächlich Silber- und Kupferadern in der Spitze. Eine hohe Konzentration von Schwefel im Quarz. Und messbare Rückstände von eingeschlossenem, gasförmigem Tritium.«
Kaufman studierte den Ausdruck, bewegt von der Größe des Augenblicks. Tritium war das eine Element, nach dem sie gesucht hatten, ein nukleares Abfallprodukt, das sich nur während einer wie immer gearteten Kernreaktion bilden konnte. Die anderen Eigenschaften der Einschlüsse waren selten und höchst merkwürdig, aber sie waren irgendwie erklärbar, bis auf das Vorhandensein von Tritium. Es bewies, dass der Kristall bei einer Reaktion verwendet worden war, die Kernenergie freigesetzt hatte. Und seine fortdauernde Existenz konnte nur bedeuten, dass es sich bei der Reaktion um eine Art kalte Fusion gehandelt hatte.
»Wenn ihre Daten stimmen«, wiederholte Lang.
Kaufman bezweifelte nicht, dass die Daten des NRI stimmten. »Was beschreiben die Daten noch?«
Lang fügte sich. »Zunächst einmal sind die Kristalle aus reinem Quarz. Aber sie sind außerdem voller mikroskopisch kleiner Linien, die in geometrisch präzisen Mustern verlaufen. Ich nannte sie mikroskopisch klein, aber das stimmt eigentlich nicht. Sie sind kleiner, viel kleiner – fast von molekularer Größe. Ich rede hier von ein paar Ångström. Ich weiß nicht, wie sie hergestellt wurden oder wozu sie dienten, aber sie funktionieren wie fiberoptische Kanäle und lenken bestimmte Lichtwellenlängen durch den Kristall, während sie andere ausblenden. Der Effekt ist nur unter polarisiertem Licht sichtbar.«
»Um welche Wellenlängen geht es?«
»Im Hochenergiespektrum: Violett, Ultraviolett und darüber hinaus, möglicherweise sogar Röntgen- und Gammastrahlen. Dem Bericht zufolge gibt es die Kanäle in allen vier Kristallen, und bei den Kristallen mit den
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