Blackhearts: Roman (German Edition)
immer ihren Scheiß. Und trotzdem lässt sie es mit sich machen. Sie weiß nicht warum. Er ist ein Schmarotzer. Jemand sollte ihn von dieser Erde entfernen! Und trotzdem macht sie, was immer er will (wo immer er will), weil sie ihn wirklich liebt und hofft, dass er eines Tages doch nett zu ihr sein wird. Statt sie zu schlagen. Statt sie runterzudrücken, ihre Arme festzuhalten und es mit ihr von hinten zu treiben, weil er »ihren Arsch mag, nicht ihr Gesicht«.
Wie auch immer.
Ein Zug hiervon wird sie beruhigen.
Flamme unter die Glühbirne. Drogenbrodeln. Weiß wird zu schlammig schwarz. Dampf steigt auf. Sie saugt ihn ein.
Klarheit läutet in ihrem Verstand wie eine Glocke. Gong . Alles ist urplötzlich scharf umrissen. Sie ist ruhig und aufgedreht zur gleichen Zeit. Sie weiß, warum man das Zeug so nennt, wie man es nennt, denn sie fühlt sich nun …
Kristallklar .
Es ist wie in einen Spiegel zu blicken, der andere Spiegel reflektiert. Dieses Zeug zu rauchen, zeigt ihr die ganzen Möglichkeiten auf. All die Dinge, die sie tun kann.
Ihr Handy klingelt.
Tinie-Tempah-Klingelton. Miami 2 Ibiza .
Sie sollte nachsehen, wer es ist, bevor sie drangeht, aber sie verschwendet keinen Gedanken daran. Als sie die Stimme ihrer Mutter hört, ist es zu spät, um noch etwas zu ändern.
»Annie«, sagt ihre Mutter. »Annie, hier ist deine Mutter.«
Es klingt, als wäre sie erkältet.
»Was?«, blafft Annie. »Was willst du?«
»Annie, ich weiß von dem Räumungsbescheid.«
Woher zum Teufel weiß sie das?
Sie hat herumspioniert. Das ist es! Mama hat wieder herumspioniert!
»Verflucht noch mal, lass mich in Ruhe! Ich …« Konzentriere dich, atme durch . »… ich brauche deine ständigen Mäkeleien nicht mehr! Ich habe alles unter Kontrolle.«
»Ich will doch nur helfen. Ich will mein kleines Mädchen nicht draußen auf der Straße sehen.«
»Du hast mich dahingesetzt. Es ist alles deine Schuld!« Das ergibt Sinn. Das passt. Es ist alles die Schuld ihrer Mutter. Und Papas Schuld auch, weil er Abend für Abend wie ein Geschwulst da gehockt hat, wie ein speckiger Tumor, grotesk, aber nicht einmal mächtig genug, um bösartig zu sein.
»Ich gebe dir Geld.«
Dieser Satz, wie eine Bombe. Eine Blendgranate, die sie blind machen und betäuben soll.
»Im Ernst?«, fragt Annie. Ihre Zähne klappern. Dann knirschen sie. Dann beißt sie sie so fest zusammen, dass ihr Kiefer krampft.
»Ich habe nicht viel. Aber genug für die Miete.«
Genug für die Miete? Das wäre ein Rettungsring. Außer … Vielleicht kauft sie sich stattdessen auch Crystal. Crystal hilft ihr beim Denken. Es wird ihr helfen, sich mehr Geld für die Miete herbeizudenken. Zweimal so viel. Dreimal so viel.
Schlaues Mädchen!
»In Ordnung, aber ich brauche das Geld jetzt«, sagt sie.
»Ich kann dich treffen.«
»Wo? Wann?«
»Die Haltestelle bei deiner Wohnung. Die am Fluss.«
»An der Archer.«
»Ja, die. Triff mich dort in einer Stunde.«
Endlich fragt sie, nicht weil es sie interessiert, sondern weil sie das Gefühl hat, sie sollte Mitleid vortäuschen, wo ihre Mutter ihr doch Geld gibt und alles: »Bist du krank? Du hörst dich an, als wärst du erkältet.«
»Nur Allergien. Der Herbst kommt. Pollen und Schimmel haben Konjunktur.«
»Ich seh dich dann in einer Stunde.«
»Ich liebe dich, Annie.«
So weit kann Annie nicht gehen. Sie will ja, aber …
Schnell drückt sie mit dem Daumen den Knopf, der das Gespräch beendet.
Die Stunde fühlt sich an, als würde sie sich ausdehnen und wieder schrumpfen und hundertmal in sich zusammenfallen. Annie macht die Wohnung sauber. Sucht sich dumm und dämlich nach ihren Schlüsseln, bis sie merkt,dass sie sie gar nicht braucht, weil die Bushaltestelle nur einen Fünfminutenspaziergang bergab von hier ist. Sie versucht, etwas zu essen, aber sie hat keinen Hunger. Raucht den Rest ihres Crystals.
Alles hell, sauber, klar. Das ganze Leben in HD .
Schließlich ist es Zeit. Genau genommen schon über die Zeit hinaus. Schon zehn nach. Schon zu spät.
Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße .
Mama wird verärgert sein. Wenn sie eine Gelegenheit bekommt, sauer zu sein, dann nimmt sie sie wahr. Es ist, als wollte sie es so. Als wäre sie ein Hund, der sich in totgefahrenen Tieren wälzt – sie liebt den Gestank. Eine echte Märtyrerin.
Von ihrer Wohnung aus hastet Annie den Hügel hinunter. Es regnet. Sie hat es nicht gemerkt. Es ist nicht heftig, nur ein Sprühen. Als würde Gott ihr in
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