Blackhearts: Roman (German Edition)
Es gefällt ihnen nicht, dass sie die Suppe umgerührt hat. Sie ist eine Vorsehungsveränderin, und die Vorsehung hat die komische Art an sich, sich heftig dagegen zu wehren. Echt beschissen heftig.«
»Was willst du mir damit sagen?«, fragt er. Dann drückt er das Auge zu und murmelt: »Ich kann nicht glauben, dass ich mit einem Vogel rede!«
»Ich will dir sagen, dass sie am Arsch ist, wenn du nicht zu ihr gehst. Jetzt! Tu den ganzen Schwachsinn und die unguten Gefühle beiseite und geh! Sie ist nicht unbesiegbar. Wenn du sie nicht aus der Scheiße ziehst, dann wird sie darin ertrinken, das kann ich dir versprechen.« Der Schnabel des Vogels klappert. »Die Scheiße schwillt an, Kumpel.«
»Wer …« Er erträgt es nicht, die Frage zu stellen.
Der Vogel schon. »Wer ich bin? Ich bin ein Freund, Lou. Ein Freund.«
Und dann schwingt sich der Vogel auf.
Im Auto.
Auf seinen Kopf zu.
Louis fuchtelt mit den Armen vor dem Gesicht herum und greift nach dem Vogel, bevor der ihm mit den Krallen das Auge herausreißt –
Und als er die Arme herunternimmt, sieht er es.
Er ist nicht in dem Honda Accord.
Er ist in seinem eigenen Laster. Sitzt immer noch dort. Der Motor mit tiefem brummenden Grummeln im Leerlauf. Der »kaputte Buntstift« – der Honda mit den plattenReifen – steht dort in den Lichtkegeln seiner Scheinwerfer.
Nur ein Traum. Du bist eingeschlafen. Lange Fuhre. Lange Nacht. Tief hängender Nebel. Hypnotisch. Du bist mit den Gedanken abgeschweift und in den Schlaf gedriftet. Das ist schlimm, das ist echt schlimm, aber verdammt, es ist besser als die Alternative. Was du gesehen hast, war nicht real. War ganz und gar nicht real!
Aber dann sieht er die Krähe auf dem Autodach spazieren. Ein schlaksiger Charlie-Chaplin-Gang. Sie schaut hoch in den Truck, dann fliegt sie in die Nacht davon.
Louis steuert den Truck zurück auf die Straße und fährt weiter. Zum Teufel mit dem verlassenen Auto!
In dem Moment spürt er es wieder: ein Jucken.
Hinter der Augenklappe. Ein normales Jucken, denkt er. Wie immer, wenn er an Miriam denkt. Er hebt die Klappe an. Kratzt sich darunter.
Aber das Jucken wird schlimmer. Es brennt.
Fünf Meilen später fährt er an einer Ausfahrt raus, findet eine Tankstelle und parkt den Truck.
Er klappt sein Lid wie einen Briefkastendeckel hoch und fängt an, in der fleischigen, augenlosen Runzel herumzufummeln – kratz, kratz, kratz –, bis plötzlich sein Zeigefinger etwas Spitzes streift. Etwas, was aus dem Loch ragt.
Ein Gefühl der Übelkeit durchschießt ihn.
Er drückt die Finger zusammen. Versucht es zu fassen.
Beginnt es herauszuziehen.
Er spürt, wie etwas Nasses die Seiten seiner Augenhöhle streift, und dann hat er ein grauenhaftes Empfinden, als würde sich etwas durch ihn hindurch bewegen, aus ihm heraus –
Es ist eine Feder. Eine nasse, blutverschmierte Feder.
Aber er ist noch nicht fertig. Er zieht weiter, denn da ist noch mehr, mehr, mehr.
Haare. Nasse Haare. Um das andere Ende der Feder gewickelt. Sie riechen stark, übel, wie –
Wie Flusswasser.
Louis macht die Tür auf und kotzt auf die Straße. Es ist niemand in der Nähe, der es sieht.
Als er fertig ist und sich wieder unter Kontrolle hat, geht er nach hinten und koppelt den Tiefladeanhänger ab.
Er muss zu Miriam. Er hat keine Zeit, um herumzutrödeln. Keine Zeit, den Hänger abzuliefern, und ihn mitzunehmen wäre gleichbedeutend mit Diebstahl.
Also hierlassen. Er gibt über Funk Bescheid, erzählt seinem Auftraggeber, dass es sich um einen Notfall handelt, teilt mit, wo sich die Ladung befindet. Sie werden ihn nach diesem Vorfall nicht mehr anheuern. Dies ist ein Minuspunkt für ihn. Einer, von dem er hofft, dass er sich bei anderen Gesellschaften nicht herumspricht.
Aber er muss es tun.
Er kann nicht abschütteln, was der Vogel ihm erzählt hat.
Louis tippt Miriams Telefonnummer ins Handy. Er landet direkt auf der Mailbox.
Die Mächte der Dunkelheit formieren sich gegen sie, Lou.
»Ich komme, Miriam!«
SECHSUNDZWANZIG
Ein Spatz in der Hand
Blut auf dem Teppich. Das ist es, was Katey am Morgen als Erstes auffällt. Und ein Couchtisch mit einem Riss in der Platte, ein umgekippter Becher Schokoladeneis, ein Löffel, der an der Couch klebt und Miriam, die mitten auf dem Boden hockt wie ein gotischer Wasserspeier. Über ein altmodisches Telefonbuch gebeugt.
Katey macht große Augen. Sie sieht aus wie neun verschiedene Höllen, die jemand in einen verlotterten rosa Morgenrock
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