Blackhearts: Roman (German Edition)
wahr?«
»Das werde ich«, sagt Miriam. Ob sie es glaubt oder nicht.
SIEBENUNDZWANZIG
Valentine’s Day
Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße , die Miete ist fällig und noch nicht bezahlt, und nicht mal dieser beschissene Wandschrank, den Annie Valentine ihre Wohnung nennt, wird mehr ihr gehören, wenn sie das Geld nicht irgendwie auftreiben kann. Schon heute Morgen waren sie an ihrer Tür, und die Sonne geht gerade erst auf. Sie haben dran gehämmert und einen roten Zettel unter der Tür durchgeschoben – keinen rosa Zettel wie den letzten oder gelben wie den davor. Zwangsräumung. Zwangsräumung . Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße !
In ihrem Kopf erklingt die Stimme ihrer Mutter, eine schimpfende, unsichtbare Präsenz: Nie willst du für irgendetwas arbeiten, Annie! Schon als Baby hast du nicht selbst dein Fläschchen halten wollen.
Das war Mamas Lieblingsspruch.
Als du ein Baby warst …
Du hast das Fläschchen nicht gehalten.
Du hast nicht so früh gesprochen wie dein Bruder.
Du hast erst gelernt, aufs Töpfchen zu gehen, als es die anderen Mädchen schon alle konnten.
Du konntest weder das Auto reparieren noch das Badezimmer fliesen noch die Steuererklärung für Mama und Papa machen wie ein braves kleines Mädchen.
Sie haben sie nie dumm genannt. Haben nie ein gemeines Wort gesagt. Aber die Beleidigungen waren immer da. Versteckten sich unter anderen Wörtern wie Monster unterm Bett.
Sie ist jetzt achtzehn. Gerade einmal achtzehn Jahre alt, und da erwarten sie von ihr, dass sie schon ihr Leben auf die Reihe bekommen hat? Sie haben ihr angeboten, wieder daheim einzuziehen, aber das würde sie nicht machen, ohnein, zum Teufel! Lieber würde sie mit den Titten voran in eine Bärenfalle springen als zurück in diese Hölle zu gehen.
Was bedeutet, dass sie diese Wohnung behalten muss.
Aber sie hat keine Arbeit. Bei Wendy’s ist sie gefeuert worden. Bei U.S. Gas ist sie auch gefeuert worden – der jemenitische Typ hat sie beschuldigt, Geld unterschlagen zu haben, was wie eine ausgefallene Art klingt zu sagen, sie hätte geklaut. Was sie getan hat. Nicht, dass er das hätte wissen können. Diese Kuh Marjorie – die alte exzentrische Schlampe mit der krausen Perücke – muss es ihm erzählt haben, obwohl sie selbst auch in die Kasse gegriffen hat.
Und jetzt? Und jetzt und jetzt und jetzt, Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Komm wieder runter! Sie schmeißen dich erst Ende der Woche raus.
Es ist alles cool. Du musst dich nur konzentrieren.
Sie greift in eine WalMart-Tüte neben der Rattenfalle, die ihre Ausziehcouch ist, und schnappt sich aus deren Plastiktiefen eine Zange, einen Schraubendreher und eine ausgebrannte Glühbirne, deren mattes Glas mit kohleschwarzem Ruß verschmiert ist.
Beim ersten Mal, als sie das hier gemacht hat, war die Glühbirne zerbrochen. Kleine Glasstücke steckten in ihrem Handteller. Jedes einzelne Stückchen musste sie mit einer Pinzette herausziehen. Mit zitternden Händen. Einige ließ sie unabsichtlich drin, bis ihr Körper sie ausschied.
Inzwischen ist sie schon ziemlich gut.
Mit der Zange entfernt sie vorsichtig den Boden der Glühbirne. Nicht den ganzen Metallsockel – nur den eigentlichen Boden.
Mit dem Schraubendreher stochert sie die restlichen Glühbirneneingeweide heraus. Den Glühfaden und die ganzen kleinen Verbindungsteile.
Annie greift noch einmal in die Tüte. Kramt eine DoseDruckluftreiniger, eine Schachtel Strohhalme und eine Rolle schwarzes Isolierband raus.
Phase zwei.
Ein Luftstrahl vom Druckluftreiniger reinigt das Innere der Glühbirne.
Sie fördert eine unter dem Couchkissen aufbewahrte kleine Holzkiste zutage. Früher waren einmal ihre Tarotkarten darin, aber die Dinger waren Schwachsinn. Nie sagten sie einem die Zukunft und immer musste man das doofe kleine Buch benutzen, um zu kapieren, was verdammt noch mal überhaupt los war.
Jetzt ist dort ein kleines Plastiktütchen mit glitzerndem weißen Puder drin. Von Nahem sieht es aus wie Meersalz oder auch wie der Glasstaub, den sie gerade aus der Glühbirne geblasen hat.
Ab in die Glühbirne mit dem Crystal Meth.
Dann steckt sie die Spitze eines Strohhalms rein und wickelt das Isolierband um den Hals der Glühbirne, sodass alles hübsch fein versiegelt ist. Wie ein Trinkhalmbecher für Kleinkinder.
Sie angelt auf dem Boden nach ihrem Feuerzeug. Es liegt unter der Couch.
Annie vermisst ihre Glaspfeife, aber Jeff hat sie geklaut, dieses beschissene Arschgesicht. Jeff nimmt
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