Blackhearts: Roman (German Edition)
gestopft hat. »Da ist … Blut«, sagt sie mit einem Frosch im Hals.
Miriam blickt nicht auf. Stattdessen hält sie den Handrücken hoch: Darin ist eine Schwalbe eingeritzt.
Daneben liegt das Messer, mit dem es gemacht wurde. Die Spitze ist rostig rot.
Miriams Finger fahren eine weitere Telefonnummer entlang. Sie kritzelt sie auf einen Papierblock neben dem geöffneten Telefonbuch.
Kateys Stimme wird leise. »Mein Gott! Sie sind eine Ritzerin!«
»Was?« Miriam beugt den Kopf so weit nach hinten, dass sie Katey verkehrt herum sieht. »Ich war das nicht!«
Na ja, das war nicht völlig verbürgt. Zwar ist Miriams Nase nicht kaputt, der Couchtisch aber schon, und die Schwalbe auf ihrer Hand ist wirklich da. Die Linien des Vogels verheilen schon und haben einen feinen, krümeligen Höhenzug aus Schorf gebildet. Sie ist sich nicht sicher, wie es sich abgespielt hat. Dies ist nicht das erste Mal, dass eine ihrer Visionen zudringlich geworden ist, aber es ist das erste Mal, dass sie ein solches Mal zurückgelassen hat.
Miriam sollte eigentlich durchdrehen.
Im Moment allerdings hat sie dazu keine Zeit.
»Ich werde sauber machen«, lügt sie. »Ich habe halt – ich habe diese Visionen, und manchmal geraten sie außer Kontrolle.«
»Wenn Sie das nicht gemacht haben, wer war es dann?«
»Wie ich gesagt habe: die Visionen.«
»Das ist … das ist verrückt!«
»Tja. Was Sie nicht sagen! Ich weiß.« Miriam blättert um.Fängt an, mehr Nummern aufzuschreiben. Und Adressen.
Katey stellt sich neben sie. Starrt runter. Verstört. »Ich weiß nicht, ob …« Ihre Worte verlieren sich.
Miriam kann die Besorgnis in Kateys Stimme hören. Wie das nervende Gemurmel eines Fernsehers in einem andern Zimmer. Zeit, der Sache vorzugreifen.
»Hören Sie: Wenn Ihnen das nicht gefällt, sagen Sie es einfach! Dann verschwinde ich und gehe Ihnen nicht mehr auf den Wecker. Aber ich bin der Vampir, und Sie haben mich hereingebeten. Ich habe Sie gewarnt: Das wird kein Kindergeburtstag! Wenn Sie einen Sturm in Ihrem Wasserglas entfesseln, dann sollten Sie besser mit ein bisschen Blut auf Ihrem Teppich und ein paar völlig irren Unterhaltungen um fünf Uhr morgens klarkommen. Wenn Sie mich raus haben wollen, kein Problem, macht nichts, nichts für ungut. Ich bin schon weg. Ich packe meine Tasche, und Sie sehen mich nie wieder!« Jetzt steht sie auf, und sie nimmt Kateys Gesicht in beide Hände, so dass der Blick der Lehrerin ihrem eigenen begegnet. »Dies könnte deine letzte Chance sein, auszusteigen. Der Miriam-Black-Erlebnisexpress fährt aus dem Bahnhof aus, und entweder schnallst du dich an oder du bleibst zurück. Zeit, sich zu entscheiden, Miss Wiz. Die Lady oder der Tiger.«
»Ich … brauche Kaffee.«
Wie ein Zombie torkelt die Lehrerin davon.
Miriam ruft ihr hinterher. »Mach mir auch eine Tasse! Eine große Tasse! Schwarz wie der Samen Satans! Danke!«
Irgendwann kommt Katey mit einer Schale voll schwarzem Kaffee zurück und stellt ihn vor sie hin. »Das Größte, was ich auftreiben konnte.«
Schlürf . »Nett. Ich komme mir sehr … asiatisch vor.«
Zurück zum Telefonbuch.
Katey fragt: »Hast du geschlafen?«
»Nein.«
»Oh.«
Die Lehrerin geht im Zimmer herum und räumt die Unordnung auf. Den Eiscremebecher, den Löffel, das Messer. »Was machst du mit meinem Telefonbuch?«
»Ich wollte eigentlich dein Laptop benutzen, aber ich habe dein Passwort nicht. Und das Telefonbuch zu finden hat eine Zeitlang gedauert – ich meine, ist sowas überhaupt noch in Gebrauch? Na ja, ist jedenfalls gut, dass du noch eins hast. Ich schlage Tätowierkünstler nach.«
»Wegen der Schwalbe.«
»Mm-hmm.« Miriam legt beide Hände um die Schale, nimmt einen langen Zug. Sie gibt sich der warmen Umarmung des Kaffees hin, dem schwarzen tröstlichen Vergessen des Bohnensafts. »Ah! Ich mag meinen Kaffee wie meine Männer: heiß, schwarz und er muss in meinen Hals kommen.«
»Ich werde das einfach ignorieren und fragen: Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, um dir zu helfen?«, fragt Katey. »Mit den … Mädchen.«
»Das Telefonbuch habe ich. Jetzt brauche ich noch das Telefon.«
»Es ist in der Küche. Schnurlos auf dem Ladegerät.«
»Na ja, ich brauche sozusagen dein Handy.«
Katey stutzt, dann nickt sie. Wieder unsicher. »Ich geh’s dir holen. Ich benutze es sowieso nicht besonders gern. Hat immer ein bisschen was von einer Hundeleine gehabt.«
»Danke, Katey.«
»Du wirst den Killer aufhalten, nicht
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