Blackhearts: Roman (German Edition)
einfach los, suche mir ein paar Giftpilze im Wald und esse genug, um mich umzubringen. Und dann wird meine Leiche von Bären vergewaltigt und gefressen werden.«
»Das ist wohl das Netteste, was man einem jungen Mädchen sagen kann. Es füllt meinen leicht zu beeindruckenden Kopf mit Bildern nicht einvernehmlichen ursinen Geschlechtsverkehrs.«
»Ursin. Gutes Wort.«
»Danke. Und jetzt komm auf den Punkt, Psycho.«
»Ich bevorzuge ›medial veranlagte Person‹.«
»Ja, ja, meinetwegen. Wieso wolltest du mit mir sprechen?«
»Ich will dir nur sagen, dass du die Augen offen halten sollst. Der Killer – er ist im Moment nicht hinter dir her, aber ich glaube, er bringt andere Mädchen vor dir um. Und wer weiß: Vielleicht ist er da draußen und beobachtet dichschon. Vielleicht ist es jemand, den du kennst. Lass mich einfach wissen, wenn du irgendetwas Eigenartiges siehst.«
»Der ganze Ort hier ist eigenartig.«
»Ja, ich weiß.«
»Hast du gewusst, dass die Schulschwester sogar die Eigentümerin ist?«
»Ja, das wusste ich.«
»Außerdem gibt es einen Wels im Fluss. Groß genug, um einen Menschen zu fressen. Oder wenigstens ein Kind. Manche Leute sagen allerdings, es ist bloß eine von der Herde abgekommene Seekuh aus Florida.«
»Ich bin ziemlich sicher, dass nichts davon etwas mit dem zu tun hat, wovon ich spreche, und ich glaube auch nicht, dass es wahr ist. Mach einfach, worum ich dich bitte, und halt die Augen offen. Ruf mich an, wenn dir irgendetwas auffällt.«
»Na schön. Meinetwegen, Psycho.«
»Ich hasse dich echt, Kleine!«
»Klar tust du das. Deshalb kriechst du mir auch ständig in den Hintern. Sag Hi zu deiner Mami!«
Miriam setzt an mit: »Du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe …«
Aber das Mädchen hat aufgelegt.
Was für ein kleines Luder!
Wieder wird Miriam mit dem Haus allein gelassen. Dem morschen Haus. Dem kaputten Haus. Ist das Haus wie ihre Mutter? Ist sie auch kaputt?
Sag Hi zu deiner Mami!
Du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe.
Und damit dreht sie sich um und geht weg. Geht die Straße entlang zurück.
Biegt rechts ab.
Und geht weiter.
Heute nicht , denkt sie, heute nicht.
Aber hinter sich hört sie ein Klicken und ein Quietschen, als die Haustür sich öffnet.
Eine Stimme ruft hinter ihr her.
»Hey! Wer ist da?«
Eine Männerstimme.
Huch.
Sie dreht sich um, kneift die Augen zusammen, hält ihre flache Hand zum Schutz hoch, um den Regen fernzuhalten. Ein Mann steht im Eingang ihres Zuhauses aus Kindertagen; er trägt ein schäbiges weißes T-Shirt und ein Paar Boxershorts mit Nadelstreifen. Er hat eine Schüssel mit Müsli in der Hand. In einem zotteligen Ziegenbart sammelt sich Milch. Er ist schon älter. Mitte fünfzig vielleicht.
Miriam schleicht nur widerwillig wieder aufs Haus zu.
Der Kerl hält den Löffel, als wäre es eine Klinge.
Da erkennt sie ihn.
»Kenne ich Sie?«, fragt er, indem er die Brauen zusammenzieht und mit dem Besteck auf sie zeigt. Noch mehr Milch tropft aus seinem Bart, und er zieht den Rücken seines Handgelenks darüber. »Sie kommen mir bekannt vor.«
»Hey, Onkel Jack«, sagt Miriam und winkt ihm schüchtern zu.
»Oh!« Blinzel, blinzel . »Miriam! Schau einer an!«
»Ja. Schau einer an.«
»Bist du, äh, wegen deiner Mama hier?«
Ich weiß nicht. »Klar.«
Da runzelt er die Stirn. Zuckt die Achsel. »Na ja, dann kommst du besser mal rein, schätze ich.«
VIERUNDDREISSIG
Was mit Mutter passiert ist
Es bricht Miriam fast das Herz.
Sie selbst ist kein Putzteufel. Aber ihre Mutter war einer. Und da steht das Haus, verwahrlost. Dreckig. Ein Ort, den Schweine nicht gern ihr Zuhause nennen würden.
Die Küche direkt hinter der Eingangstür ist ein einziges Drecksloch. Schüsseln und Teller stapeln sich. Essen trocknet auf Arbeitsplatten aus Resopal vor sich hin. Eine schmutzige Mikrowelle – dieselbe Mikrowelle, mit der Miriam aufgewachsen ist –, deren Uhr 12:00 blinkt. Leere Dosen, Hundefutterdosen, sie denkt, O Gott, Onkel Jack isst Shappi!
Aber in dem Moment kommt ein kleiner Wischmopphund angewuselt, rutscht mit klickenden Krallen über den Holzfußboden und leckt mit rosa Zunge wie besessen Miriams Stiefel ab.
Onkel Jack stupst den Hund mit seiner schwieligen großen Zehe.
»Lauf weiter, Pookie, geh raus, lass sie in Ruhe. … Ich sagte, lauf weiter!«
Die Pfoten des Hundes scharren auf dem Boden, finden Halt, und das Tier schiebt ab.
»Dann komm mal rein!« Jack winkt Miriam
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