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gegründet worden; evangelischen Kongregationalisten, die in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts von Andover in Massachusetts nach Chicago zogen, um hier Bibeln und religiöse Traktate zu verlegen.
Calvin hatte den Verlag 1936 übernommen, mit dreiundzwanzig Jahren ein Wunderknabe der Verlagsszene. Das erste weltliche Buch erschien 1938, Die
Geschichte zweier Länder
von Armand Pelletier, einem Autor, der 1973 völlig verarmt starb, nachdem seine Werke wegen der schwarzen Liste jahrelang nicht erhältlich waren. Diese Information stand nicht bei Nexis - die hatte ich noch im Kopf gespeichert.
Ich rechnete an den Fingern nach: Calvin Bayard musste jetzt um die neunzig sein. Wenn Catherine Bayard zu seiner Familie gehörte, war sie wohl seine Enkelin.
Ich suchte in der Personensparte von Nexis weiter. Für Calvin und Renee Genier Bayard waren fünf Adressen angegeben, darunter eine an der Coverdale Lane in New Solway. Natürlich. Ich hatte schon von Mrs. Edwards Bayard gehört, in dem Artikel über das Einweihungsfest von Larchmont Hall: Sie war die Frau, die wenig Sinn für Äußerlichkeiten hatte. Catherine war also letzte Nacht durchs Gebüsch zwischen Coverdale Lane Nummer 17 und Larchmont Hall gehuscht und hatte natürlich problemlos zurückgefunden.
Ich schrieb mir die Adresse auf und eine zweite an der Banks Street an der Gold Coast von Chicago. Die Familie unterhielt auch Wohnsitze in London, New York und Hongkong. Ich notierte mir auch diese Adressen, obwohl die Verfolgung von Catherine ausfallen würde, falls sie dorthin geflohen war. In der Liste waren sämtliche Personen aufgeführt, die im Haus Coverdale Lane 17 lebten, unter anderem sieben Hausangestellte. Die Namen fügte ich meiner Liste bei, dann beschäftigte ich mich eingehender mit der Familie Bayard.
Renee war über zwanzig Jahre jünger als Calvin. Sie hatten 1957 geheiratet, direkt nach seinem Triumph über Bushnell. Sie hatten ein gemeinsames Kind, einen Sohn mit drei Nachnamen: Edwards Genier Bayard, geboren 1958, wohnhaft in Washington.
Ich rieb meine entzündeten Augen. Warum lebte Edwards in
D.C. und Catherine hier? Und wenn Catherine eine Mutter hatte, wieso war sie nicht aufgeführt? Der Bildschirm konnte mir die Fragen nicht beantworten. Ich wandte mich den Informationen über den Verlag zu.
Bayard Publishing war immer noch ein überschaubarer Konzern, nicht so groß wie AOL Time Warner oder Random House im Verlagsgewerbe, aber auch nicht klein. Der Buchverlag bildete das Zentrum, ferner gehörten dazu eine Online-Firma, ein Plattenlabel namens New Lion, diverse Zeitschriften und ein Anteil an Drummond Paper.
Ich beugte mich vor, als könne ich so in die Informationen auf dem Bildschirm eintauchen. Drummond Paper war von Geraldine Grahams Großvater gegründet worden. Es war vermutlich nicht ungewöhnlich, dass die Bayards einen Anteil daran besaßen - die Nachbarn an der Coverdale Lane machten sicher gerne Geschäfte miteinander. Während Mrs. Edwards Bayard in ihrem malvenfarbenen Bombasinkleid an den Festlichkeiten zur Einweihung von Larchmont teilnahm, führte ihr Gatte wahrscheinlich Geschäftsgespräche mit Mr. Matthew Graham in dessen »männlichem Reich«, wie es die Gesellschaftskolumnistin im Jahre 1903 formuliert hatte. Mich beschlich nur langsam ein unbehagliches Gefühl, weil ich mehr und mehr Berührungspunkte zwischen den Einwohnern von New Solway entdeckte: Wer kannte wen? Wer schadete oder nutzte wem?
Ich wollte gerade aus dem Fenster raus, als mir Margent und Margent.Online ins Auge stachen - die Zeitschrift, für die Mor rell in Afghanistan unterwegs war. Einen Moment lang stellte ich mir vor, wie ich Calvin Bayard anrufen würde: Kümmern Sie sich um Morrell - oder vielmehr, sorgen Sie dafür, dass er nach Hause kommt -, dann halte ich Ihre Enkelin aus dieser Sache raus. Ich schloss meine müden Augen und malte mir die Situation weiter aus. Morrell zurückgekehrt, in meinen Armen - und als er rausbekam, was ich getan hatte, sprach er nie wieder ein Wort mit mir.
Ich richtete mich auf, schloss Nexis und checkte meine Post sowie die Anrufliste von meinem Auftragsdienst. In dem Haufen E-Mails entdeckte ich eine von Morrell. Ich hob sie mir bis zum Schluss auf, als Belohnung für geleistete Arbeit.
Die Anrufliste passte nicht mal auf den Bildschirm. Ich schloss wieder die Augen, weil ich das ganze Schlamassel nicht mehr sehen wollte, aber wenn ich nichts tat, würde es morgen früh noch übler sein.
Ich
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