Blacklist - Blacklist - Blacklist
sieht sie aus?«
»Langer, dunkler Zopf, schmales Gesicht.«
Celine erbot sich, den Gegenstand mit in die Schule zu nehmen und eine Mitteilung ins hausinterne WebBoard zu stellen, aber ich sagte ihr, das Mädchen wollte wohl nicht, dass die Begleitumstände dieses Verlusts bekannt würden. Als ich die älteren Jahrgänge durchgesehen hatte und mich den jüngeren zuwandte, fand ich meine Julia beinahe sofort. Ihr Blick war ernsthaft, obwohl es dem Fotografen gelungen war, ihr ein halbes Lächeln zu entlocken, und Strähnen aus ihrem Zopf hingen ihr ins Gesicht, als habe sie keine Lust gehabt, sich eigens für das Foto die Haare zu kämmen. Catherine Bayard, die am liebsten Sarah MacLachlan hörte, deren Lieblingssport Lacrosse war und die später Journalistin werden wollte. Dafür hatte sie gute Karten: Bayard und das Verlagsgewerbe sind in Chicago ebenso untrennbar wie Capone und Verbrechen.
Ich wandte den Blick von Catherine ab, um zu vermeiden, dass Celine sie am nächsten Tag in der Schule ansprach. Stattdessen zuckte ich die Achseln, als sei ich von der Suche angeödet und wolle aufgeben. Celine beäugte mich argwöhnisch. Mädchen, die mit schwierigen Differentialrechnungen fertig werden, finden Erwachsene wie mich lächerlich leicht durchschaubar. Sie wusste, dass ich jemanden entdeckt hatte, aber sie hatte vielleicht nicht gemerkt, um wen es sich handelte.
Bevor ich mich von dem Buch trennte, warf ich noch einen Blick auf die Lehrer. Rektorin war eine Frau namens Wendy Milford, die entschlossen in die Kamera blickte, als wolle sie kundtun, dass sie sich nicht vor ihren Schützlingen fürchtete. Ich fragte Celine, wer ihr Hockeytrainer sei, und prägte mir die Namen von einem Mathe- und einem Geschichtslehrer ein. Für alle Fälle.
Ich klappte das Jahrbuch zu und reichte es Celine mitsamt dem Geld für die Suppe. Drei Dollar für zwei Schalen - das gab es nicht im 923 oder im Mauve oder irgendeinem anderen Trend-Bistro, das La Llorona das Geschäft verdarb.
Auf dem Rückweg machte ich Zwischenstopp im Büro. Tessa war heimgefahren, es war überall dunkel. Und kalt. Tessa ringt mit riesigen Stahlstücken, die sie zu irgendwelchen hohen Gebilden formt, Arbeit, bei der sie so ins Schwitzen gerät, dass sie mit fünfzehn Grad Raumtemperatur auskommt. Ich stellte den Thermostat höher und setzte mich im Mantel an den Computer.
Calvin Bayard, einer der Helden meiner Jugend. Ich hatte mich schwer in ihn verknallt, als er an der University of Chicago einen Vortrag in meinem Seminar über Verfassungsrecht hielt. Mit seinem einnehmenden Lächeln, seiner profunden Kenntnis über den Ersten Zusatzartikel zur Verfassung, seiner schlagfertigen Art, mit der er feindselige Fragen abfing, spielte er in einer ganz anderen Liga als meine Professoren.
Nach dem Vortrag hatte ich in der Bibliothek seine Aussage vor dem House Un-American Activities Committee, kurz HUAC, nachgelesen, die mich mit Stolz erfüllte. Walker Bushnell, Illinois' eigener Kongressabgeordneter, führendes Mitglied des HUAC, hatte Bayard 1954 und 1955 das Leben schwer gemacht. Doch als Bayard aussagte, stand Bushnell wie ein kleingeistiger Voyeur da. Bayard hatte keinen seiner Freunde verraten und kam ohne Haftstrafe davon. Und obwohl viele seiner Autoren auf der schwarzen Liste standen, gedieh Bayard Publishing in den fünfziger und sechziger Jahren.
Mein Jura-Fachbereich war erzkonservativ gewesen. Einige Studenten hatten erboste Briefe an den Dekan geschrieben, in denen sie sich darüber beklagten, dass ihnen wiederum ein Liberaler vorgesetzt wurde, aber ich war so begeistert von Calvin Bayard, dass ich mich sogar für ein Praktikum bei der Bayard Foundation an der South Dearborn bewarb. Ich hatte den großen Mann nur zweimal zu Gesicht bekommen in diesem Sommer, und immer in einer großen Gruppe. In die nähere Auswahl für eine feste Stelle dort war ich nicht gekommen, was mir damals schwer zu schaffen machte. Mir blieb dann nur meine dritte Wahl, die Laufbahn als Pflichtverteidigerin.
Viel hatte ich nicht mehr über Bayard Publishing in Erinnerung. Ich wusste noch, dass Calvin Bayard das Programm von religiösen Büchern auf weltliche umstellte, genau jene Art von Lektüre, die ihn dann in Schwierigkeiten mit dem Kongress brachte. Und er hatte Bürgerrechtsgruppen unterstützt, die das HUAC für kommunistische Vereinigungen hielt.
Ich rief Lexis-Nexis auf und befasste mich mit der Geschichte des Unternehmens. Es war von Calvins Urgroßeltern
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