Blackout (German Edition)
sich und wartete, bis sich ihr Schwindelgefühl etwas legte. Er fühlte sich trotz seiner Verletzungen stark genug, sie sicher nach draußen zu bringen.
»Geht’s?«, fragte er.
»Ja.«
»Leg deinen Arm um meine Schultern.« Er schlang seinen Arm fest um sie und führte sie behutsam durch die Gänge. Sie brauchten eine kleine Ewigkeit, um den steilen Aufstieg zu schaffen, aber Nick war wild entschlossen, Carla heil aus diesem Stollen zu bringen, egal, wie lange es dauern würde.
29
N ick quetschte sich durch den schmalen Spalt ins Freie, Carla fest an sich gepresst. Vor dem Eingang ließ er sie behutsam auf den Boden gleiten und setzte sich neben sie. Die Regenwolken hatten sich verzogen. Der Mond leuchtete durch die Kronen der Tannen und warf ein gespenstisches Licht auf den Waldboden.
»Wir machen eine kleine Pause.« Die Anstrengung, Carla den ganzen Weg auf den Beinen zu halten, hatte ihn erschöpft. Sie lag zitternd neben ihm. Vielleicht war es besser, hierzubleiben und auf Caduff zu warten.
»Bald sind wir in Sicherheit«, versprach er.
Da zerriss ein lauter Knall die Stille. Carla zuckte zusammen, Nick fuhr hoch. Das hatte sich angehört wie ein Schuss! Was ging da unten in der Hütte vor sich? Hatte sein Vater geschossen? Oder Caduff?
»Ich muss dich kurz allein lassen«, flüsterte Nick.
»Nein!« In Carlas Stimme lag Panik.
»Nur ganz kurz. Ich muss herausfinden, was passiert ist.«
Sie klammerte sich an ihn. »Lass mich nicht allein.«
»Ich versteck dich!«
Er hob Carla hoch und trug sie zur Futterkrippe.
»Hier kann man dich vom Pfad aus nicht sehen. Du brauchst keine Angst zu haben. Außerdem bin ich gleich zurück. Versprochen.«
Er drückte ihr die Taschenlampe in die Hand. »Nimm sie. Aber mach sie nur an, wenn du sicher bist, dass niemand in deiner Nähe ist.«
Geduckt lief er über den Pfad zurück, vorbei an der großen Steinplatte, bis zum Felsvorsprung. Von dort aus konnte er zur Hütte hinuntersehen. Scheinwerfer erleuchteten die Umgebung. Mehrere Männer rannten in verschiedene Richtungen in den Wald hinein. Das konnte nur bedeuten, dass jemand abgehauen war. Er musste vorsichtig sein! Fieberhaft überlegte er, ob er es wagen konnte, zur Hütte zu laufen und Hilfe für Carla zu holen oder ob er besser zu Carla zurückging und sich mit ihr versteckt hielt, bis die Männer den Flüchtigen gefunden hatten. Er entschied sich für Carla. Sie brauchte ihn. So schnell er konnte, lief er zurück zur Krippe.
»Carla, ich bin wieder da.«
Sie starrte ihn aus großen, verängstigten Augen an, hob ihre Hand und deutete auf etwas hinter ihm. Nick fuhr herum und schaute geradewegs in die Mündung einer Pistole.
Simon Forster lehnte an einem Baum. Sein blasses Gesicht hob sich unheimlich von der Dunkelheit ab, die sonst so sorgfältig frisierten Haare fielen ihm wirr in die Stirn.
»Hallo, Nick.« Er verzog seinen Mund zu einem irren Grinsen. Nick schauderte. Er fühlte, dass Simon eine unsichtbareGrenze überschritten hatte, und traute ihm alles zu. Vorsichtig hob er die Hände.
»Hallo, Simon.«
»Ich sehe, du hast sie gefunden«, sagte Forster und deutete mit der Pistole auf Carla.
»Lass sie gehen«, bat Nick. »Sie hat genug durchgemacht.«
Forster lachte heiser. »Hättest du gerne. Ich brauche sie noch. Sie ist meine Fahrkarte in die Freiheit.«
»Brauchst du denn eine?«
»Eine was?« Forster schien verwirrt zu sein.
»Eine Fahrkarte. In die Freiheit.«
Forster lachte auf. Ein unechtes, gequältes Lachen. »Die Situation ist ein bisschen außer Kontrolle geraten.«
Das war ja wohl eine grenzenlose Untertreibung!
»Was habt ihr mit meinem Vater gemacht?«
»Nichts.« Forster richtete die Pistole wieder auf Nick. »Kleiner Schwächeanfall. Hat sich kurz ans Herz gefasst und ist zusammengebrochen.«
Nick fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog.
»Nimm es nicht tragisch«, sagte Forster. »Du magst ihn sowieso nicht.«
Nein, er mochte seinen Vater nicht. Aber vorhin, in der Hütte, hatte er geglaubt, dass sie vielleicht eine Chance hätten. Irgendeinen Sinn musste all das hier doch haben!
Forster trat einen Schritt auf Nick zu. »Pack deine Cousine und geh mit ihr vor mir her.« Nick schätzte seine Chancen ab, Forster zu überwältigen. Sie waren verschwindend gering. Er half Carla hoch und legte ihren Arm um seine Schultern. Sie konnte kaum auf den Beinen stehen.
»Du siehst doch, sie ist zu schwach«, versuchte er es. »Komm, wir lassen sie hier. Du hast ja immer
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