Blackout (German Edition)
sich an Forster. »Gib ihm den Schlüssel, Simon!«
»Welchen Schlüssel?«
»Du weißt so gut wie ich, dass du Carla da unten eingeschlossen hast. Sonst wäre sie schon lange weggelaufen. Also, wo ist der Schlüssel?«
»Ich habe ihn nicht.« Forster schaute zum Hageren hinüber. »Er hat ihn.«
»Feigling«, murmelte der Hagere. Er richtete sich an Nick. »Du hast wenigstens Mumm in den Knochen.« Er zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und reichte ihn Nick.
28
D er kleine Lichtkegel der Taschenlampe erhellte den Pfad vor Nick nur schwach. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, seine Beine verhedderten sich im Unterholz. In der Dunkelheit verlor er schnell jedes Gefühl für Zeit und Distanz. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon durch den Wald stolperte. Seine Augen suchten Anhaltspunkte, irgendwas, woran er sich orientieren konnte, aber da war nichts. Er fiel hin, schlug sich die Knie auf, stand auf, nur um ein paar Meter weiter auf einem nassen Stein auszurutschen. Der Schmerz und die Verzweiflung trieben ihm Tränen in die Augen, doch er gab nicht auf und folgte dem überwachsenen Pfad, bis ihm ein großer, vorstehender Felsbrocken den Weg versperrte. Sein Kletterfels von früher! Er ahnte die Wand mehr, als er sie sah, aber er wusste, dass sie sich senkrecht vor ihm erhob. Erleichtert atmete er auf. Der verlassene Schacht musste ganz in der Nähe sein.
Jetzt, wo Nick seinen ersten Anhaltspunkt gefunden hatte, erkannte er weitere. Die wuchtige Tanne mit den schlangenartigen Wurzeln, die große Steinplatte, auf dieer als Kind mit Kreide Tiere gezeichnet hatte, die von Jägern aufgestellte Futterkrippe, in der das Wild in harten Wintern zusätzliche Nahrung fand. Der Pfad schlängelte sich nun an der Felswand entlang. Nick leuchtete das Gestein an und suchte nach dem schmalen Spalt, der den unscheinbaren Eingang in ein Labyrinth aus Stollen und Gängen bildete. Fast hätte er die Öffnung übersehen, die zuerst nur ein weiterer dunkler Schatten im Fels zu sein schien.
Er zwängte sich durch die enge Lücke. Der schroffe Fels drückte gegen die Prellungen an seinem Oberkörper, Wasser rann ihm den Nacken hinunter. Einen Augenblick lang fühlte er wieder die Panik, die ihn am Nachmittag in der Baracke gepackt hatte. Die Vorstellung, dass Carla seit Tagen in dieser Dunkelheit ausharrte, schnürte ihm die Kehle zu. Entschlossen drang er in das Innere des Berges. Nach wenigen Metern wurde der schmale Gang breiter und Nick atmete wieder regelmäßig.
»Carla!«, rief er, so laut er konnte. »Carla!«
Im Stollen herrschte gespenstische Stille, die nur vom Tropfen des Wassers durchbrochen wurde. Als Kind hatte Nick diese unheimliche Lautlosigkeit fasziniert, jetzt jagte sie ihm Angst ein. Trotzdem ging er weiter. Der Gang führte nun abwärts und Nick wusste, dass er gleich zu einem steilen Stück kommen würde, einer Stelle, von der er als Kind geglaubt hatte, sie führe geradewegs in die Hölle. Es hatte damals lange gedauert, bis er den Mut aufbrachte, dieses Stück zu überwinden. Er hatte seinen Vater gefragt, wie weit es runtergehe, bevor er auf den Teufel treffe. Sein Vater hatte schallend gelacht und ihm versichert,dass keine Gefahr bestand, dem Teufel jemals Auge in Auge gegenüberzustehen. Also hatte Nick seinen ganzen Mut zusammengenommen und war den stark abfallenden Gang hinuntergeklettert. Am Ende des Steilstücks war sein Forschungsdrang belohnt worden. Der Stollen teilte sich, führte in verschiedene Schächte, die sich wiederum teilten. Ein Labyrinth tat sich auf, das Nick begeistert erkundete. Nur einen Gang hatte er nie erforscht. Er endete nach ein paar Metern an einem zugesperrten Eisengitter. Nick hatte sich in seiner Fantasie ausgemalt, was sich alles hinter diesem Gitter verbergen könnte, und als er den Strahl seiner Lampe in das dunkle Loch gerichtet und dabei etwas Weißes angeleuchtet hatte, rannte er davon, so schnell er konnte. In seinen Träumen verfolgten ihn danach wochenlang Fledermäuse, Zombies und andere Ausgeburten der Hölle. Nick dachte an den Schlüssel in seiner Hosentasche und wusste, dass er genau zu dieser Gittertür passen würde.
Der Boden unter seinen Füßen wurde steiniger und fiel stärker ab. Er hatte das Steilstück erreicht. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, trotzdem rutschte er immer wieder auf dem losen Geröll aus. Mehrmals konnte er sich erst im letzten Moment fangen. Sein Herz schlug schneller und trotz der kühlen Luft im Stollen
Weitere Kostenlose Bücher