BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
da.«
»Natürlich, da müssen wir uns alle an die Nase greifen, damals hat man die Gefahren als Spinnerei von Katastrophenpropheten abgetan. Die wahre Brisanz wurde vielen Verantwortlichen erst in den letzten Jahren bewusst. Und natürlich ist es auch eine Kostenfrage. Sicherheit kostet Geld.«
»Wie man gerade sieht, kostet es noch mehr, sie nicht zu bezahlen.«
»Sie sind alt genug dafür, erinnern Sie sich an die Zeit, als etwa in Italien der Entscheidungsprozess für diese gewaltige Investition begann. Wie umständlich und langwierig der war, um endlich umgesetzt zu werden, können Sie sich vorstellen. Das dauerte Jahre! Und Sie wissen, was Jahre für ein technisches Gerät heutzutage bedeutet. Im Grunde sind die Smart Meter bei ihrem Einbau bereits veraltet. Und selbst wenn sie es nicht wären, heute sind sie es. Das ist ein Grundproblem moderner Technik, für das noch niemand eine Lösung gefunden hat.«
»Apple und Co. schon«, wandte Hensbeck ein. »Die Konsumenten fiebern den neuen Produkten entgegen und sind bereit, Hunderte Euro für das neueste Handy, den neuesten Flach- oder 3D-Bildschirm, den neuesten Tabletcomputer oder was als Nächstes erfunden wird, auszugeben, obwohl das Vorgängermodell es noch drei Jahre machen würde.«
Wickley griff das Stichwort auf. Ähnliche Gedanken hatte er selbst auch schon gehabt. Doch er war nicht der Kreative, sich solche Produkt- oder Kommunikationskonzepte auszudenken.
»Wenn es Ihnen gelingt, die Konsumenten dazu zu bringen, gern und begeistert für Smart Meter alle zwei Jahre einhundert Euro auszugeben, werden Sie ein sehr reicher Mann. Denn wir haben die optimalen Programme und Services dazu, sozusagen den App-Store der Energieindustrie.«
Hensbeck blickte ihn nachdenklich an.
»Für dessen Angebote man dann noch extra bezahlen muss«, sagte er.
»Von irgendetwas wollen unsere Ingenieure ihre Kinder ernähren«, antwortete Wickley.
Später, nachdem die Kommunikationsleute gegangen waren und es draußen bereits dämmerte, fragte Wickley den Technikvorstand: »Sind bei uns eigentlich Meldungen von Kraftwerksbetreibern eingetroffen?«
»Bis jetzt nicht. Wobei das ursprüngliche Callcenter schon wieder außer Dienst ist. Die Telefonnetze brachen so schnell zusammen, dass wir ohnehin nicht erreichbar waren. Wir versuchen gerade, eines in Bangalore einzurichten.«
Seit sechs Jahren unterhielten sie, so wie viele andere Hightech-Konzerne, eine Entwicklungsabteilung in der südindischen Stadt, die mittlerweile zu einem Zentrum der weltweiten Softwareindustrie geworden war. Ein bis zwei Mal pro Jahr besuchte Wickley den Standort, der seit der Gründung seine Mitarbeiterzahl auf hundertzwanzig Leute versechsfacht hatte.
»Aber die Kommunikation über Satellit ist mühsam, die Satelliten alle überlastet«, fuhr der Technikvorstand fort. »Wir hoffen, morgen so weit zu sein. Aber ich erwarte eigentlich nicht viele Kontakte. Unsere SCADA -Bestandteile sind sicher, und die Leute haben gerade andere Sorgen.«
Wickley hatte noch immer von Balsdorffs Satz in den Ohren: »Auch Kraftwerke melden ungewöhnliche Schwierigkeiten …«, deshalb sagte er: »Sollte etwas kommen, will ich sofort darüber informiert werden.«
Den Haag
Shannon hatte ihre Beiträge geschnitten und lud sie ins Internet hoch. Der Fernseher lief.
Manzano kam ins Zimmer.
»Was Neues?«
Er warf sich aufs Bett, klappte seinen Laptop auf und verfolgte die Nachrichten im Fernsehen, während das Gerät hochfuhr.
»Hm«, erwiderte Shannon unkonzentriert, mit einem Blick auf seinen Computer und den komischen grünen Aufkleber auf dessen Deckel.
Die Nachrichten aus Saint-Laurent klangen schlecht. Unscharfe Bilder aus großer Entfernung zeigten das Kraftwerk, von dem Rauch aufstieg.
»Was wir sehen, ist kein Dampf aus den Kühltürmen«, erklärte eine Sprecherin. »Nach der Explosion am Mittag ist die Situation weiterhin unklar …«
Parallel überflog Manzano den Liveticker im Internet. Bei den meisten Meldungen beschränkte er sich auf die Headlines.
+ Europäische Börsen geschlossen +
+ Stillstand in allen europäischen Autoproduktionsstätten +
+ Münchner Rück rechnet bislang mit Schäden in Höhe von 1 Billion Euro +
+ Korrektur: Sechs Mitarbeiter in AKW Saint-Laurent verletzt; zwei verstrahlt +
+ Eishockeyweltmeisterschaft in Schweden Ende Februar abgesagt +
+ Regierung schätzt Opferzahl in Deutschland nach Stromausfall auf bis zu 2000 +
+ Greenpeace: Strahlungswerte um
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