BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Netzbetreiber bestätigen mittlerweile fatale Attacken auf ihre IT -Systeme«, sagte Wickley. »Inoffiziell konnte ich in Erfahrung bringen, dass manche sogar mit einigen Tagen oder länger für die Reparatur rechnen.«
»So schlimm die Nachrichten und die Situation sind«, warf Hensbeck ein, »schafft die Lage doch auch eine große Chance, oder nicht? Sie macht deutlich, dass die gegenwärtigen Systeme nichts taugen und eine Umstellung nötig ist.«
»Ihren Willen zum positiven Denken in Ehren, Hensbeck, aber so einfach ist es nicht. Die Ursache für den Ausfall ist bereits jetzt eindeutig: die IT -Systeme. Ausgerechnet jener Teil des Gesamtsystems Energieproduktion und -verteilung, der beim Aus- und Umbau zum Smart Grid in den kommenden Jahren die Schlüsselrolle spielen sollte. Und Teil unseres Kerngeschäfts. Und – Kern unserer visionären Entwicklungsprojekte! Verstehen Sie? Neben dem Stromnetz sollte ja ein Kommunikationsnetz aufgebaut werden, um das Stromnetz zu steuern. Womit Banken, Kreditkartenfirmen und Versicherungen seit Jahren kämpfen, hat jetzt auch unsere Branche ereilt. Nur mit weitaus schlimmeren Folgen, wie man da draußen gerade sehen kann. Die Niederlande haben bei der Einführung von Smart Metern schon vor geraumer Zeit eine Pause eingelegt. Grund: Sicherheitsbedenken. Wenn sich der Staub nach dieser Situation gelegt hat, werden alle Entwicklungsprojekte, die mit IT zu tun haben, evaluiert, überprüft, gestoppt werden.«
»Unsere Produkte wurden nach höchsten Sicherheitsstandards entwickelt«, warf der Technikvorstand ein. »Damit können wir punkten.«
»Das wurden auch jene der Banken, Versicherungen, Behörden und anderer Angegriffener in den vergangenen Jahren, beteuerten jedes Mal die Verantwortlichen. Wie sich später herausstellte, war dem häufig nicht so. Können Sie garantieren, dass unsere Systeme absolut sicher sind?«
»Kein System wird jemals absolut sicher sein«, wand sich der Technikvorstand. »Aber wir gehen weit über alle Industriestandards hinaus.«
»Das ist das Argument der Atomindustrie jeweils bis zum nächsten GAU und der Finanzindustrie bis zum nächsten Crash. Es wird nicht genügen. Als Erstes möchte ich, dass wir alle Zukunftsprojekte noch einmal auf Herz und Nieren überprüfen. Sobald wir das getan haben, wiederholen wir es und dann noch einmal!«
»Zuerst einmal bräuchten wir Strom«, murmelte jemand laut genug, dass Wickley es hörte.
Er ging nicht darauf ein. »Außerdem müssen wir unsere Kommunikationsstrategie nach diesen Neuigkeiten fundamental überdenken. Nach diesem Angriff auf die Systeme wird es in der Energieversorgung für Jahre nur noch ein Thema geben: Sicherheit beziehungsweise Versorgungssicherheit. Klima- und Umweltschutz werden vergessen sein. Europa wird froh sein, wenn es überhaupt wieder auf die Beine kommt. Ich höre die Politiker jetzt schon. Sie werden argumentieren, wie es heute Entwicklungs- und Schwellenländer tun. Um den Lebensstandard ihrer Wähler auch nur annähernd zu halten, wird der deutsche Atomausstieg zurückgenommen, Gas- und Kohlekraftwerke werden schneller und ohne Rücksicht auf die Umwelt gebaut, Hauptsache, sie können liefern.«
»Warum sollten sie die Chance nicht nutzen und gleich die Erneuerbaren noch stärker vorantreiben?«, wollte Hensbeck wissen.
Wickley fragte sich langsam, warum dieser Mann die Kommunikationsstrategie für Talaefer ausarbeitete. Er schien sich nicht in die Materie vertieft zu haben.
»Weil sie für die erneuerbaren Ressourcen und zahllosen dezentralen Kleinproduzenten das Smart Grid benötigen. Aber dessen bescheidene Anfänge wurden gerade mit Kawumm in die Luft gejagt – im übertragenen Sinn. Die Angriffe starteten in Italien und Schweden ausgerechnet über intelligente Stromzähler, wie sie bis 2020 nach Vorgabe der EU in ganz Europa eingesetzt werden sollen.«
»Das wird doch eine Festtafel für kriminelle Hacker, Terroristen oder feindlich gesinnte Nationen«, sagte Hensbeck. »Weshalb wurden denn so unsichere Geräte installiert? Das ist doch verantwortungslos.«
»Die Italiener wollten einfach den Volkssport Stromdiebstahl unterbinden«, erklärte der Technikvorstand. »Sicherheit war Anfang des neuen Jahrtausends noch kein so großes Thema.«
»Wie bitte? Aber natürlich. Da war doch sogar dieser Actionfilm …«, widersprach Hensbeck.
»Ich weiß, welchen Sie meinen, Die Hard , vierter Teil. Abstruse Story …«
»Aber das Thema war bereits
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