BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
speisen, solange wir das noch können.«
Zevenhuizen
Fast wäre François Bollard in das Auto gefahren, das auf der Zufahrt des Gutshofs stand. Im Licht seiner Scheinwerfer erkannte er, dass die ganze Strecke bis zum Gebäude zugeparkt war. Er lenkte seinen Wagen in die Wiese und arbeitete sich so bis zum Haus vor. In manchen Fahrzeugen sah er Menschen liegen, in warme Kleidung und Decken gewickelt. Was machten sie alle hier? Auch der Vorplatz war voll mit Fahrzeugen. Dazwischen standen ein paar Menschen, die sich Bollard zuwandten, als er den Wagen abstellte und ausstieg. Er ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken und ging durch die Versammlung auf das Haus zu.
»Die lassen dich da nicht mehr rein«, rief ihm jemand zu.
»Außer er gehört zu den Guten«, rief ein anderer spöttisch. Einige Männer folgten ihm bis zur Tür. Bollard sperrte auf, da packte ihn eine Hand, und bevor er sich wehren konnte, zog sie ihn hinein und schlug die Tür zu. Von draußen hörte Bollard zornige Rufe. Vor ihm stand Jacub Haarleven. Er wirkte verstört. Erst jetzt nahm Bollard das Stimmengewirr im Haus wahr.
»Wir können nicht alle aufnehmen«, erklärte Haarleven und ging voran. Als sie am Frühstücksraum vorbeikamen, verstand Bollard, was er meinte. Die Tische waren beiseitegeschoben, auf dem Boden lagen mindestens vierzig Personen dicht an dicht. Bollard stieg der Geruch ungewaschener Menschen in die Nase, jemand schnarchte, ein anderer wimmerte im Schlaf.
»Ich habe ihnen gesagt, dass wir sie nicht auch noch verpflegen können«, fuhr Haarleven fort. »Aber was sollte ich tun? Es sind Kinder dabei, Kranke und Alte. Ich kann sie doch nicht draußen erfrieren lassen! In zwei anderen Räumen sieht es genauso aus.«
»Und die vor der Tür?«
Haarleven sah ihn ratlos an. »Ich hoffe, sie bleiben vernünftig.«
»Was wollen Sie morgen früh machen, wenn die Leute hungrig aufwachen?«
Haarleven zuckte mit den Schultern. »Das überlege ich mir morgen. Wir können nur noch improvisieren. Wenn der Strom nicht bald zurückkommt, stehen wir vor einem gewaltigen Problem.«
Bollard bewunderte die Haltung des Mannes. Oder war er bloß naiv?
»Sie sind doch bei der EU …«
»Europol«, korrigierte Bollard.
»Können Sie nicht etwas für diese Menschen tun?«
»Was ist mit den niederländischen Behörden? Es gibt Notquartiere.«
»Nicht genug, sagen die Leute.«
»Heute nicht mehr«, erwiderte Bollard. »Morgen werde ich sehen, was ich tun kann.«
Was nicht viel mehr war, als bei der Stadt anzurufen und zu fragen, warum für die Menschen keine Quartiere bereitstanden. Und zur Not bei der Polizei, um Haarlevens Besitz und die Menschen darin zu schützen. Die Antworten auf beide Fragen konnte er sich jetzt schon ausmalen.
Bollard stieg die Treppe zu den Zimmern seiner Familie hoch. Er hatte kaum die Tür geöffnet, als seine Frau auf ihn zustürzte.
»Hast du etwas von unseren Eltern gehört?«
Auf diesen Moment hatte er sich nicht gefreut.
»Noch nicht. Es geht ihnen sicher gut.«
»Gut?« In ihrer Stimme schwang ein hysterischer Unterton mit, der Bollard nicht gefiel. »Zwanzig Kilometer entfernt passiert ein GAU, und du bist sicher, dass es ihnen gutgeht?«
»Wo sind die Kinder?«
»Schlafen schon. Lenk nicht ab.«
»Das ist kein GAU . Die Regierung sagt …«
»Was soll sie denn sonst sagen?«, rief sie, den Tränen nahe.
»Du weckst die Kinder auf.«
Sie begann zu schluchzen, mit den Fäusten gegen seine Brust zu trommeln.
»Du hast sie dort hingeschickt!«
Er versuchte, sie zu beruhigen, zu umarmen, sie entwand sich, schlug weiter auf ihn ein.
»Du hast sie dort hingeschickt!«
In Bollard flammte Zorn auf und Hilflosigkeit. Er drückte sie so fest an sich, dass ihre Arme blockiert waren. Zuerst wehrte sie sich noch, doch er hielt sie, bis er spürte, wie sie sich ergab und hemmungslos schluchzend an seiner Schulter lag.
Vier Tage erst, dachte er, und unsere Nerven liegen bereits blank. Er schloss die Augen, und zum ersten Mal seit seiner Kindheit betete er. Bitte, wenn es dich gibt, mach, dass es unseren Eltern gutgeht!
Den Haag
»Wir haben es gut«, stellte Shannon fest. Genussvoll wickelte sie ihre Nudeln auf die Gabel. »Das wurde mir nach dem Tag wieder klar.«
»Du sowieso«, antwortete Manzano. »Darfst mit dem Porsche zu Katastrophenfällen fahren.«
»Glaub mir, lieber würde ich ohne Porsche darüber berichten, dass alles wieder in Ordnung ist. Kommt ihr denn nicht weiter?«
»Meine
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