BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
jetzt waren die Schäden verheerend. Die Bauern in ihrer Nachbarschaft hatten große Teile ihres Viehs verloren. Die Tiere waren erfroren oder verhungert, viele Milchkühe unter erbärmlichen Qualen an überfüllten Eutern krepiert. Tagelang war das Schmerzgebrüll kilometerweit zu hören gewesen. Der Vater eines Bekannten war an einem Schlaganfall gestorben, weil die Ambulanz zu spät gekommen war.
Einige waren einfach abgehauen, was Oberstätter ihnen nicht einmal verübelte. Seit die Nachricht durchgesickert war, dass einzelne Gemeinden in Österreich eine rudimentäre Versorgung aufrechterhalten konnten, versuchten immer mehr Menschen dorthin zu gelangen.
Er selbst lebte hier noch in einem kleinen Paradies. Wie seine Kollegen auch brachte er ab und zu seine Familie her, damit sie sich aufwärmen und wenigstens für ein paar Stunden den Hauch von Normalität genießen konnte.
Oberstätter betrat den südlichen Generatorraum.
»Seid ihr so weit?«, fragte er über das Funkgerät. In der Leitstelle beobachteten jetzt fünf Ingenieure gespannt die Armaturen. Seit einer Stunde gingen sie die Schritte durch, um den Kraftwerksbetrieb wieder aufzunehmen. Bis jetzt hatten die Anzeigen keine Probleme gemeldet. Ein Knopf noch, und die Generatoren würden wieder beginnen, Strom zu produzieren.
»Und los«, hörte er es durch den Lautsprecher krachen.
Vor ihm sprangen mit einem tiefen Brummen die roten Riesen an.
»Läuft!«, rief Oberstätter in das Mikro.
»Na also, geht doch!«, rief der Kollege zurück.
Oberstätter fühlte dieselbe Erleichterung. Vier Tage lang hatten sie in den verschiedensten Phasen der Aktivierung Fehlermeldungen bekommen, Teile kontrolliert oder gar ausgetauscht.
»Scheiße«, hörte Oberstätter aus dem Funkgerät.
»Was ist?«
»Sie überdrehen!«
»Tun sie nicht, das würde ich hören«, rief Oberstätter.
»Bekommen wir hier aber angezeigt.«
»Kann nicht sein.«
»Ist zu riskant. Wir schalten ab.«
»Lass laufen!«, forderte Oberstätter. »Im Ernstfall schalten sie sich selbst ab.«
»Und wenn nicht?«
»Hier klingt alles normal«, sagte Oberstätter.
»Von den Anzeigen bekommen wir Befehl zum Abschalten!«, krächzte es durch das Funkgerät. »Wir müssen. Wir können die Generatoren nicht riskieren!«
Das leise Dröhnen in der Halle wurde schwächer und tiefer, bis es ganz verklang.
»Verflucht«, flüsterte Oberstätter.
Er ging hinauf in den Leitstand.
»Es sind nicht die Geräte«, erklärte Oberstätter. »Die Generatoren schnurrten wie die Katzen. Irgendetwas stimmt nicht mit der Steuerungssoftware.«
»Das SCADA -System?«, fragte der IT -Mann skeptisch. »Das ist auf Herz und Nieren geprüft.«
»Denk an Stuxnet.«
»Das war ein hochkomplexes Programm. Glaubst du, jemand hat ausgerechnet für uns ein solches geschrieben? Da gäbe es doch interessantere Ziele.«
»Überprüf die Logs. So viel anderes hast du gerade ohnehin nicht zu tun.«
Brummend wandte sich der Mann seinem Bildschirm zu. Seine vier Kollegen hatten zugehört und versammelten sich um seinen Platz. Zuerst gingen sie die Logs der Messgeräte durch.
»Die Messwerte liegen alle im grünen Bereich, oder?«
»Ja.«
Dann verglichen sie diese Messungen mit den Logs der Steuersoftware für den gleichen Zeitpunkt.
»Siehst du«, stellte Oberstätter fest. »Die Logs der Messgeräte unterscheiden sich von denen der Steuerungssoftware. Zwei verschiedene Systeme zeigen für dasselbe Ereignis unterschiedliche Ergebnisse an. Das ist genau, was wir in den letzten Tagen andauernd feststellen. Wir bekommen Fehlermeldungen, tauschen das Bauteil aus, die Fehlermeldung verschwindet zwar, aber irgendeine andere taucht auf. So viele Teile können gar nicht kaputt sein, wie wir schon gewechselt haben. Ich schwöre dir, die Maschinen funktionieren einwandfrei. Es ist nur die Software, die uns die ganze Zeit linkt.«
»Wenn dem so wäre, hätten wir ein Problem.«
»Welches?«
»Ein Fehler, wie du ihn beschreibst, muss im Quellcode der SCADA -Software stecken. Und der ist Geheimnis des Unternehmens, das SCADA programmiert.«
»Dann müssen die danach suchen.«
»Auf Verdacht hin? Die Fehleranzeigen können verschiedenste andere Gründe haben.«
»Vorschlag?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Warum sollte dieser Fehler gerade jetzt auftauchen? Und wie soll er überhaupt hineingekommen sein? Die SCADA -Anbieter sind Riesenunternehmen mit gigantischen Qualitätsprüfmechanismen und
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