BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
bis unter die Decke. Bollard selbst war viel zu weit weg, um auch nur den Hauch einer Chance auf ein Paket zu haben.
In dem Menschenknäuel kam es zu Schlägereien. Andere nutzten die Situation aus und schoben sich an den Streithähnen vorbei. Fassungslos fragte sich Bollard, wie Marie hier am Vortag an Lebensmittel gelangt war.
Die Polizisten hatten trotz der heftigen Prügel, die sie austeilten, zunehmend Schwierigkeiten, die Ladung zu verteidigen. Einer von ihnen rief den Menschen etwas zu, dann zog er seine Dienstwaffe, und als das nichts half, schoss er in die Luft.
Für einen Augenblick gefror die Masse, die Verteiler nutzten den Moment, um schnell die Flügeltüren zu schließen, jedem Polizisten noch ein Paket unter den Arm zu drücken und vom Wagen zu springen. Von den Polizisten mit gezogenen Waffen eskortiert drängten sie zurück zum Führerhaus und sprangen hinein.
Binnen Sekunden war der Wagen überzogen von Menschen.
Bollard hörte das tiefe Gurgeln des Motors und musste hilflos mitverfolgen, wie sich der Lkw langsam durch die Massen der Enttäuschten davonschob. Wer sich dem Wagen in den Weg stellte, musste damit rechnen, überrollt zu werden.
Trotz der tobenden Menge hörte Bollard das hässliche Krachen, als ein Pflasterstein gegen die Windschutzscheibe schlug. Der Wagen beschleunigte ohne Rücksicht auf die Menschen vor ihm. Bollard hörte unschöne, dumpfe Geräusche, das Auto erreichte die Straße, fuhr schneller. Ein Freiluftpassagier nach dem anderen musste loslassen oder stürzte ab. Manche rappelten sich mit schmerzverzerrten Gesichtern auf, tasteten ihre Körper ab, andere blieben liegen.
Düsseldorf
Manzano wusste nicht, wo sich in dieser Stadt die offiziellen Lebensmittelausgabestellen befanden, wagte sich aber sowieso nicht dorthin. Womöglich besaß man dort seine Beschreibung. Nachdem er die Küche noch einmal durchsucht hatte, kehrte er in die Eingangshalle zurück. Unterwegs blickte er in jeden Raum und hielt Ausschau nach Kleidung. Er fand Wundpflaster, Verbände, Klebebänder und Desinfektionsmittel, die er in die Taschen seiner Jacke stopfte. Auch eine Schere und zwei Skalpelle steckte er ein. Endlich entdeckte er eine Wäschekammer, voll mit weißen Hosen und Hemden. Sie waren alle gebraucht. Nirgendwo sah er Waschmaschinen. Vermutlich erledigte das Krankenhaus die Wäsche nicht selbst, sondern ließ sie von einem Miettextilservice durchführen. Er stieg zurück in die zweite Etage, wo sich neben der Entbindungsstation auch die Gynäkologie und die Abteilung für Innere Medizin befanden. Dort stöberte er in einem Schrank tatsächlich zwei Hosen auf, die jemand vergessen oder zurückgelassen hatte. Die eine war zu klein, die andere ausreichend sauber und schien von der Größe passend.
Manzano setzte sich auf ein Bett, wechselte seinen Verband und schlüpfte in die Hose, die tatsächlich einigermaßen saß. Jetzt konnte er sich wenigstens auf die Straße wagen, ohne sofort aufzufallen. Aber wo sollte er hin?
»Piero?«
Manzano fuhr zusammen. Panisch sah er sich um.
»Hallo, Piero.«
In der Tür stand Lauren Shannon.
»Was … machst du hier?«, stammelte er.
»Ich habe im Krankenhaus übernachtet.«
»Aber wie kommst du überhaupt hierher?«
»Ich bin dir aus Den Haag gefolgt. Ich habe ein schnelles Auto, wie du weißt.«
»Aber …«
»Ich bin dir bis zu Talaefer nachgefahren. Ich habe alles mitbekommen: wie sie dich weggebracht haben, deinen Fluchtversuch, deine Verletzung. Erst hier im Krankenhaus habe ich dich gestern Abend verloren, als du deinen Bewacher überwältigt hast. Was hat das alles zu bedeuten?«
»Das wüsste ich auch gern.«
Er setzte sich zurück aufs Bett.
»Bist du allein?«, erkundigte er sich vorsichtig.
»Keine Sorge, deine gestrigen Begleiter habe ich nicht dabei.«
Manzano fragte sich, ob er ihr trauen konnte. Wenn sie ihm gefolgt war, hatte sie vielleicht doch vorab gewusst, wohin er unterwegs war. Hatte sie die E-Mail von seinem Computer geschickt und das Sendedatum manipuliert? Wann hätte sie die Gelegenheit dazu gehabt? Und was hätte es ihr gebracht?
Blitzschnell rief er sich die letzten Tage ins Gedächtnis. Angeblich hatte Shannon Bollard gesucht und war schließlich bei ihm, Manzano, gelandet. Wer sagte, dass sie es nicht von Beginn an auf ihn abgesehen hatte? Aber weshalb? Sie hatte ihm Informationen entlockt, die sie über Nacht zur Starreporterin gemacht hatten. Ihre Berichte hatte er im Internet und im TV gesehen. Er
Weitere Kostenlose Bücher