BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
er nicht mehr flüchten. Wohin die Flure letztlich führten, wusste er nicht. Gut möglich, dass es Sackgassen waren oder dass die anderen Ausgänge abgesperrt waren. In seiner Angst sah er nur einen Ausweg. Er hockte sich hinter einen der Mülleimer. Als er das Bein zu beugen versuchte, schrie er fast auf. Er biss die Zähne zusammen, im selben Moment öffnete sich die Tür zum Treppenhaus, und Lichtstrahlen warfen ovale Flecken an Decke, Boden und die Wand gegenüber. Manzano hielt den Atem an und erkannte Hartlandt. Er schwenkte mit einer Taschenlampe hin und her, ihm folgten vier weitere Männer und zwei Hunde.
Manzano schloss kurz die Augen. Er duckte sich noch tiefer, öffnete die Augen wieder und fügte sich in das Unvermeidliche. Doch Hartlandt gab ein Zeichen, und zwei von ihnen verschwanden mit einem Hund nach links in den Flur, zwei andere nach rechts. Hartlandt selbst leuchtete durch das Zimmer, in dem Manzano noch vor drei Minuten gelegen hatte, dann folgte er den beiden nach rechts.
Fieberhaft überlegte Manzano seine Möglichkeiten. Solange die Männer die Flure absuchten, konnte er über das Treppenhaus flüchten. Unter Schmerzen richtete er sich auf und schlich zur Treppenhaustür. Ganz leise öffnete er sie und trat in den Schacht, als er von unten Schritte und das Hecheln weiterer Hunde hörte. Er zögerte keinen Augenblick. Dann musste er eben nach oben. Er setzte seinen Fuß gerade auf die erste Stufe, der automatische Schließarm hatte die Tür noch nicht wieder ganz zugezogen, da hörte er von den Fluren die Hunde bellen und Stimmen rufen.
»Polizei! Wer sind Sie? Kommen Sie heraus!«
Erschrocken hielt Shannon die Hände vor ihre Augen, in die Taschenlampen blendeten.
» I am a Journalist! «, rief sie. » I am a Journalist! «
»Was sagt sie?«
»Hände hoch, steigen Sie aus dem Bett!«
» I am a Journalist! I am a Journalist! «
»Raus, los!«
Hundegebell.
Shannon sah nichts, rief weiter, versuchte, ihre Beine aus den Decken zu befreien.
»Das ist eine Frau!«
»Was sagt sie?«
»Sie sagt, dass sie Journalistin ist.«
Endlich hatte Shannon ihre Füße befreit, stand auf, eine Hand immer noch vor den Augen, die andere wie zum Gruß erhoben. Hundeknurren.
»Wer sind Sie?«, fragte ein großer, durchtrainierter Mann mit kurzen Haaren in gutem Englisch, wenn auch mit leichtem deutschen Akzent. »Was tun Sie hier?«
»Ich habe kein Hotel gefunden, wo ich übernachten könnte«, erklärte Shannon wahrheitsgemäß.
Der Mann tastete sie mit seinem Lichtstrahl von oben bis unten ab. Jetzt erkannte sie ihn wieder. Er hatte Manzano abgeführt, verfolgt und ins Krankenhaus gebracht.
»Haben Sie hier jemanden gesehen?«
»Nein.«
Die Männer durchsuchten noch die anderen Betten, fanden jedoch nichts. Als sie hinausgingen, sagte der Anführer: »Sie sollten sich ein besseres Quartier suchen.«
Shannon blieb neben dem Bett stehen, während die Männer ins nächste Zimmer stürmten. Sie spürte, dass sie zitterte, wusste aber nicht, ob wegen des Schreckens oder vor Kälte. Sie kroch wieder unter ihre Decken zurück und hörte den Polizisten zu, wie sie mit ihren Hunden einen Raum nach dem anderen absuchten. Die Stimmen und Schritte wurden leiser, dann kehrten sie zurück, kamen erneut an ihrem Zimmer vorbei und verhallten.
Im dritten Stock suchten Hartlandt und seine Leute so vergeblich wie im vierten. Es war weit nach Mitternacht. Männer und Hunde waren nach den Einsätzen der Vortage todmüde. Das dunkle Gebäude mit seinen verlassenen, verwüsteten Räumen war noch deprimierender, als es ein Krankenhaus normalerweise ohnehin schon war. Mit schweren Lidern arbeiteten sie sich den Flur in der fünften Etage entlang, als die Hunde immer lauter zu winseln begannen.
»Könnte er das sein?«, fragte Hartlandt einen der Hundeführer.
»Vielleicht. Obwohl mir das nach etwas anderem klingt.«
»Was?«
»Ich hoffe nicht das, was diese Signale üblicherweise bedeuten.«
Die Tiere zogen jetzt heftig, die Männer ließen sich führen, bis sie zu einem der letzten Zimmer gelangten. Die Lichtkegel ihrer Lampen wanderten über die ausgebeulten Konturen der Betten, insgesamt acht auf engstem Raum. Die Laken bedeckten alles, von den Fuß- bis zu den Kopfenden.
Hartlandt trat an das vorderste Bett, schlug das Tuch zurück und blickte in das bleiche, ausgemergelte Gesicht einer Greisin. In seiner Laufbahn hatte er genug Tote gesehen, um einen zu erkennen, wenn er vor ihm lag. Er eilte zum
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