BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Wochen veranschlagt. Wenigstens einen Monat lang sollte Europa nach der ersten Welle ohne Strom sein. Wäre dieser Italiener nicht gewesen. Kurz war sein Gesicht über den Bildschirm vor ihm geflimmert. Um diesen Italiener hätten sie sich früher kümmern müssen. Gleich nachdem er Europol auf die Idee mit den Smart Metern gebracht hatte. Und konsequenter. Wer konnte ahnen, dass der Kerl so hartnäckig bleiben würde. Brachte sie womöglich nun um die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit und die Welt um ihre Chance auf einen Neuanfang. Dafür sollte er bezahlen. Er musste sich eingestehen, dass er diese Angelegenheit persönlicher nahm, als es professionell gewesen wäre.
Er wusste nicht, wer die vorgesehene zweite Welle zuletzt blockiert hatte. Er selbst hatte den Befehl gestern gesendet, irgendwann gegen Mittag. Blieb also noch etwas Zeit. Gerade genug, um den Italiener zu finden. Er wusste ja, wo er ihn suchen musste.
Den Haag
Zusammengekrümmt saß Marie Bollard vor dem Computer und durchstreifte das Internet nach Neuigkeiten aus Saint-Laurent. Seit den ersten TV -Bildern, die einige Sender vor ein paar Stunden auf die Mattscheibe brachten, suchte sie mal auf den Fernsehkanälen, mal auf dem Computer, hing ihr Blick an irgendeinem Bildschirm in der verzweifelten Hoffnung, etwas über das Schicksal ihrer Eltern herauszufinden, zunehmend aber auch gebannt von der Fülle an Katastrophenmeldungen, die sie nach und nach entdeckte, auch aus den USA . Zum ersten Mal wurden ihr die verheerenden Ausmaße wirklich bewusst.
Die Nachlese der Diskussionen über einen möglichen Weltkrieg ließ sie schaudern. Tagealte Bilder von den Explosionen in Saint-Laurent, Berichte und Newsticker ließen sie verzweifeln, Meldungen über die Evakuierungen wieder hoffen, ihre und François’ Eltern wären rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Aus Dutzenden Städten kamen austauschbare Bilder der Verwüstung, die aufgebrachte Bewohner und Randalierer zurückgelassen hatten. Improvisierte Massengräber, brennende Berge verendeten Viehs, kilometerhohe Rauchsäulen über Industrieanlagen, schießende Panzer. Und wozu das Ganze? Über die Motive der Terroristen gab es bislang nur wilde Spekulationen. Immer wieder versuchte sie die Telefone von Verwandten, Freunden, Bekannten in Frankreich und anderen Ländern, doch die Leitungen waren überlastet oder blieben noch tot. Auch über das Internettelefon erreichte sie niemanden.
Dazwischen fand sie immer wieder aktuelle Aufrufe und Informationen der Behörden. Die Rückkehr zur Normalität stand zwar bevor, würde aber nicht so schnell voranschreiten, wie die Menschen es erhofften. Warum dauerte denn das alles so lange? Der Strom war doch wieder da! Sie vertiefte sich erneut in die Berichte aus Frankreich.
Ratingen
»Wir konnten die Herkunft des Schadcodes in dem SCADA -Widget inzwischen rückverfolgen«, erklärte Dienhof. »Dragenau hat ihn bereits im letzten Jahrtausend eingebaut.«
»So lange hat er den Coup vorbereitet?«, fragte Hartlandt.
»Das werden wir nie erfahren. Vielleicht war es nur eine Fingerübung. Oder er wollte damals schon etwas in der Hinterhand haben, um sich vielleicht einmal für die Übernahme seiner Firma zu rächen.«
»Warum ist die Manipulation nie aufgefallen?«
»Dragenau suchte sich einen günstigen Zeitpunkt aus. Erinnern Sie sich an die Y2K-Hysterie kurz vor der Jahrtausendwende? Alle Computer würden wegen des Datumswechsels abstürzen. Wir hatten kräftig zu tun, weil unsere Entwickler in früheren Jahren natürlich auch an vielen Stellen ein zweistelliges Jahr programmiert hatten. Es wurden fast alle unserer Programme in der einen oder anderen Form modifiziert. Die Prüfer und die Tester konzentrierten sich auf den Jahrtausendwechsel. Letztendlich trat die vorhergesagte Katastrophe nicht ein. Aber die IT -Berater haben sich eine goldene Nase verdient. In diesem Durcheinander wurden die paar Zeilen übersehen. Und auch danach nie gefunden.«
»Er ließ ihn elf Jahre lang ruhen.«
»Wie die Terroristen genau auf Dragenau kamen, werden wohl die Ermittler herausfinden. Wahrscheinlich haben sie verschiedene Insider bei mehreren Firmen angesprochen. Ein riskantes Unterfangen, wenn Sie mich fragen, aber offensichtlich hat es geklappt.«
»Womöglich war Dragenau gar nicht über die Tragweite der Pläne informiert«, wandte Hartlandt ein. »Vielleicht sah er nur seine Zeit gekommen, seine Rache auszuüben. Und jemand bot ihm genug Geld an.«
»Auf
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