BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
jeden Fall bereitete er die Aktivierung des Codes wenige Tage, bevor er nach Bali abreiste, über Hintertüren vor, die er ebenfalls vor Jahren darin versteckt hatte. Zur Stichzeit begannen sie, die Instrumente verrücktspielen zu lassen.«
»Viel hat er von seinem Verrat nicht gehabt«, bemerkte Hartlandt.
Dienhof schüttelte zustimmend den Kopf.
»Danke, Herr Dienhof«, sagte Hartlandt. »Auch dafür, dass Sie so schnell bereinigte Versionen zur Verfügung gestellt haben.«
Er wandte sich an Wickley, der Dienhofs Ausführung mit versteinerter Miene gefolgt war.
»Und was Sie betrifft: Für einen Haftbefehl hat es nicht gereicht. Aber für den Versuch, die Entdeckung des Schadcodes zu verheimlichen, sehen wir uns sicher vor Gericht wieder.«
Hartlandt reichte Dienhof zum Abschied die Hand. Wickley schenkte er nicht einmal ein Nicken. Jetzt hatte er noch ein Gespräch zu führen, auf das er nicht scharf, das ihm aber ein Bedürfnis war.
Den Haag
»Manzano«, meldete er sich am Telefon in seinem Hotelzimmer.
Der Concierge erklärte: »Ein Herr Hartlandt für Sie.«
Manzano zögerte einen Moment, dann sagte er: »Stellen Sie durch.«
Der Deutsche begrüßte ihn auf Englisch, erkundigte sich nach seinem Befinden.
»Jetzt besser«, antwortete Manzano misstrauisch. Was wollte der Mann von ihm, dessen Mitarbeiter ihn angeschossen und der ihm mit Vernehmungen durch die CIA gedroht hatte?
»Sie haben verdammt gute Arbeit geleistet«, sagte Hartlandt. »Ohne Sie hätten wir so manches nicht geschafft. Oder zumindest nicht so schnell.«
Manzano schwieg überrascht.
»Ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe danken. Und Sie um Entschuldigung bitten dafür, wie wir Sie behandelt haben. Aber zu diesem Zeitpunkt …«
»Entschuldigung angenommen«, erwiderte Manzano. Er hatte nicht erwartet, in seinem Leben noch einmal von Hartlandt zu hören. »Es war eine außergewöhnliche Situation. Wir haben uns alle nicht immer ganz vernünftig verhalten, schätze ich.«
War er jetzt zu versöhnlich gewesen? Sollte er den anderen so einfach davonkommen lassen?
»Ich wünsche Ihnen viel Glück«, sagte Hartlandt.
»Danke. Wir werden es alle brauchen. Sagen Sie Ihrem Kollegen, er soll das nächste Mal nachdenken, bevor er auf einen Menschen schießt.«
»Ich denke, wir haben unsere Lektion gelernt.«
»Ich wünsche auch Ihnen alles Gute.«
Berlin
»Noch liegen uns keine verlässlichen Zahlen über Opfer vor«, erklärte Torhüsen vom Gesundheitsministerium. »Erste Schätzungen gehen für die Bundesrepublik jedoch von einer hohen fünfstelligen bis niedrigen sechsstelligen Zahl unmittelbarer Toter aufgrund des Ausfalls aus.«
Michelsen spürte, wie für einen Augenblick alle im Raum den Atem anhielten.
»Wie gesagt, das sind vorläufige Zahlen. Wir können nicht ausschließen, dass sie noch beträchtlich steigen. Für ganz Europa müssen wir womöglich mit mehr als einer Million rechnen. Noch nicht erfasst sind dabei mögliche Opfer von Langzeitschäden, etwa durch unbehandelt gebliebene chronische Erkrankungen – Herz, Diabetes, Dialysepatienten – oder durch radioaktive Verstrahlung. Im Umkreis von zehn Kilometern rund um das Kernkraftwerk Philippsburg mit seinem havarierten Abklingbecken wurde eine gesundheitsschädlich hohe Strahlenbelastung gemessen. Ob die Bevölkerung rechtzeitig evakuiert wurde, werden erst die nächsten Jahre und Jahrzehnte zeigen – falls sich jemand die Mühe machen wird, die individuellen Krankheitsgeschichten zu erfassen. Wir reden immerhin von Zehntausenden Menschen, die betroffen sein könnten. Auch wird die Zukunft erst zeigen, ob die evakuierten Gebiete in absehbarer Zeit wieder bewohnbar sein werden. Um die Anlagen Brokdorf und Grohnde wurden erhöhte Werte gemessen, genauere Informationen dazu liegen uns aber noch nicht vor. Nicht auszuschließen auch hier, dass es zu Spätfolgen kommen wird und Absiedelungen notwendig werden.«
Torhüsen wechselte von den Bildern der Atomkraftwerke zu jenen von Friedhöfen mit großen Flächen frisch aufgeschütteter Erde.
»Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Entsorgung der menschlichen Leichen. In der Not wurden in den vergangenen Tagen Verstorbene in anonymen Massengräbern bestattet. Hier wird es noch zu zahlreichen Kontroversen kommen mit Angehörigen Vermisster, vermutlich werden viele Leichen exhumiert und aufwendig identifiziert werden müssen.«
Die Aufnahmen leer gefegter, verwüsteter Krankenhäuser stammten aus
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