BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
stand zehn Meter weiter oben auf der Straße, am Ende des Zugangs zu dem Bauernhof. Terbanten und van Kaalden warteten dort. Bondoni, die ebenfalls ein wenig Deutsch beherrschte, stand neben ihr. Sie hörten Kühe muhen.
Sie hatten die Tankstelle direkt über die Personalzufahrt verlassen und beim ersten Gebäude gehalten, um nach dem Weg zum nächsten Bahnhof zu fragen.
Niemand öffnete. Wegen der Tiere waren sie sich sicher, dass der Hof bewirtschaftet sein musste. Also umrundeten sie das Haus, um im Stall nach jemandem zu suchen. Die Tür war angelehnt. Das Rufen der Kühe war jetzt so laut, dass Angström nur pro forma klopfte, bevor sie öffnete. Der Stallgeruch erfüllte sie mit einem wohligen, warmen Gefühl. Vor ihr und Bondoni erstreckte sich eine lange Stallgasse, auf deren beiden Seiten die Kühe standen. Menschen sahen sie keine.
»Hallo?«, rief Angström vorsichtig, begriff jedoch sofort, dass sie lauter werden musste, wollte sie die Tiere übertönen.
»Hallo?!«
Niemand antwortete.
Langsam gingen sie die Stallgasse entlang, um nach den Bauersleuten Ausschau zu halten.
»Warum brüllen die so?«, rief Bondoni. »Ist das normal?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Angström ebenso laut.
Endlich entdeckten sie eine gebeugte Person, die fast unter einem Kuhbauch verschwand und auf einem Schemel saß.
»Hallo! Entschuldigen Sie!«, rief Angström noch einmal.
Aus einem Männergesicht, dem man die viele Arbeit an der frischen Luft ansah, begegnete ihr ein misstrauischer Blick. Ohne aufzustehen oder seine Hände unter der Kuh hervorzuholen, sagte der Mann etwas, das Angström nicht verstand.
So gut es ihr Deutsch zuließ, stellte sie sich vor und erklärte, was sie wollte.
Das Gesicht des Mannes wurde nicht freundlicher, aber immerhin stand er jetzt auf und wischte sich die Hände an einer Art Schürze ab. Er trug Gummistiefel und einen löchrigen, oft geflickten Pullover. Hinter ihm erkannte sie einen Eimer mit Milch unter dem Kuheuter.
Wieder verstand Angström kaum, was er sagte. Mit einem Lächeln streckte sie ihm ihre Straßenkarte entgegen. Der Bauer musterte sie, dann fuhr sein Finger über den Plan. Dazu erklärte er, jetzt in verständlicherer Sprache, wie sie zum nächsten Bahnhof kamen.
»Aber ob da Züge fahren, weiß ich nicht«, fügte er hinzu. »Da fallen wohl auch viele aus.«
Angström bedankte sich, Bondoni ebenfalls. Sie wollten schon gehen, als Angström den Bauer noch fragte: »Warum brüllen die Tiere so laut?«
»Denen tun die Euter weh«, erklärte er grimmig, »ohne Strom funktioniert die Melkanlage nicht. Deswegen müssen meine Frau, ich und zwei Nachbarn alles von Hand machen. Das dauert. Wir haben über hundert Tiere. Bei vielen sind die Euter schon übervoll. Deshalb – Sie entschuldigen –, aber ich muss weitermachen.«
Angström begegnete Bondonis Blick und sah, dass ihr derselbe Gedanke durch den Kopf schoss wie ihr.
»Ist das schwierig?«
»Was?«
»Melken. Ich meine, ist es schwierig, es zu lernen?«
Der Mann schien sie abzuschätzen.
»Sie haben uns geholfen«, sagte Angström. »Vielleicht können wir auch Ihnen helfen. Draußen sind noch zwei von uns.«
»Eigentlich ist es nicht schwer«, grummelte er. Noch einmal musterte er sie von oben bis unten. Dann lachte er. »Wenn Sie es versuchen wollen …«
Mailand
Völlig durchgefroren erreichte Manzano die Via Piero della Francesca. Drei Stunden war er durch die Stadt marschiert. Er fantasierte von einer heißen Dusche. Stattdessen herrschten in seiner Wohnung vielleicht noch zehn Grad. Wenigstens vermissen meine Lebensmittel bald den Kühlschrank nicht mehr, dachte er. Den Mantel behielt er an. Missmutig stellte er fest, dass er sich nicht einmal einen Espresso zubereiten konnte. Heißer Tee blieb natürlich auch ein Wunschtraum. Er überprüfte den Sicherungskasten. Das Display des Zählers war blind. Kein Strom im Netz und daher keine Hoffnung auf eine Umprogrammierung seinerseits. Manzano fühlte sich wie ein eingesperrter Löwe, der rastlos hinter den Gitterstäben auf- und ablief, ohne etwas unternehmen zu können. Polizei, Strombetreiber und Medien glaubten ihm nicht, nahmen ihn nicht ernst oder hörten ihm gar nicht zu. Seine Kunden konnte er weder anrufen noch besuchen. Er beschloss, noch ein wenig zu recherchieren, und warf sich samt Laptop und warmer Decke aufs Sofa.
Die Internetverbindung funktionierte nicht mehr.
Er klappte den Computer zu, als es an seiner Tür klopfte.
»Und du bist
Weitere Kostenlose Bücher