BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
kompliziertesten waren sogenannte Supervisory Control and Data Acquisition Systems, kurz SCADA -Systeme. Sie dienten zur Steuerung der Anlage und bestanden aus den unterschiedlichsten Komponenten, von sehr spezieller Hardware wie den speicherprogrammierbaren Steuerungen bis zu ganz normalen Windows-Rechnern. SCADA -Systeme organisierten die immer komplexeren Abläufe der modernen Welt. Seien es Fertigungsprozesse in der Industrie, die Organisation von Infrastrukturen oder das Management von Häfen, Flugplätzen, Bahnhöfen, Konzernzentralen, Einkaufszentren oder Raumstationen. Sie machten es möglich, dass eine Handvoll Menschen einen gigantischen Öltanker über die Meere steuerte, wenige Dutzend eine Autofabrikationshalle bedienen oder auf Flughäfen Millionen Passagiere täglich abfliegen und ankommen konnte.
»Keine Ahnung. Die SCADA -Systeme wurden im Vorfeld ausführlich gestestet. Außerdem kommen wir an die selbst gar nicht dran. Als Erstes würde ich bei den Windows-Rechnern beginnen. Ich war schon 2004 dagegen, Windows für den Betriebsstand einzusetzen, weil es viel zu unsicher ist. Selbst Microsoft graut es, wenn jemand Win2K ohne irgendwelche Sicherheits-Patches einsetzt, aber das verbietet uns ja der Softwarehersteller.«
Der Schichtleiter starrte durch die riesigen Scheiben in die Maschinenhalle. Oberstätter wusste, was in seinem Kopf vorging. Entschloss er sich, die Startversuche abzubrechen, bis sie die Software geprüft hatten, konnten Tage vergehen, bevor das Kraftwerk wieder Energie lieferte. Treffen musste die Entscheidung letztlich der Betreiber.
»Hoffentlich hat uns nicht jemand etwas wie Stuxnet reingesetzt«, sagte Oberstätter.
»Über so was macht man keine Witze.«
»War kein Witz.«
Die Schadsoftware hatte im Herbst 2010 für Aufsehen gesorgt, nachdem sie eine iranische Atomanlage angegriffen hatte. Eine chinesische Nachrichtenagentur hatte berichtet, dass auch Hunderte Anlagesteuerungen im Reich der Mitte von dem Wurm infiziert seien. Später war man in vielen anderen Anlagen ebenfalls fündig geworden. Mehr als die Hälfte aller deutschen Kraftwerke etwa waren infiziert gewesen, aber aufgrund der besonderen Konstruktion des Virus für einen ganz bestimmten Zweck nicht beeinträchtig worden. Fachleute vermuteten als Urheber den israelischen und den US -amerikanischen Geheimdienst, als Ziel die iranische Atomanlage, doch beides blieben Spekulationen. Die wahren Urheber und das tatsächliche Ziel von Stuxnet würden wohl noch länger im Dunklen bleiben. Man ging davon aus, dass die Entwicklung einen siebenstelligen Dollarbetrag gefressen und dass ein ganzes Team von Spezialisten aus verschiedenen Gebieten daran mitgearbeitet hatte. Außerdem besaßen die Verfasser von Stuxnet detailliertes Wissen über die Abläufe in den angegriffenen Anlagen, die sie bei den Herstellerfirmen gestohlen haben mussten. Auf jeden Fall war Stuxnet nicht das Ergebnis von Spielereien eines Jugendlichen an seinem Homecomputer.
»So weiterzumachen ist auf jeden Fall sinnlos«, sagte Oberstätters Vorgesetzter schließlich. »Wir stoppen die Wiederbelebungsversuche. Ich informiere die Zentrale.«
Ratingen
Auf dem weitläufigen Parkplatz standen nur vereinzelt Autos, aber doch mehr als sonst an einem Samstag im Februar. Große Flächen bedeckte eine hauchdünne Schneeschicht. Windböen fegten darüber hinweg, wirbelten weiße Wolken hoch, hinterließen grauen Asphalt. In dieser kahlen Winterlandschaft wirkte der lang gestreckte, zehnstöckige Kubus aus Glas und Beton fast ein wenig verloren. Über dem Gebäude ragte der große Schriftzug aus blauen Buchstaben in den grauen Himmel: »Talaefer AG «. In einigen Fenstern brannte Licht.
James Wickley parkte den SLS Roadster auf dem Platz mit dem Kennzeichen der Limousine, die er während der Woche als Dienstwagen fuhr. Aber heute war Samstag, und da erlaubte er sich den Besuch des Hauptquartiers in dem Sportwagen, der das mehrfache Jahresgehalt eines durchschnittlichen Angestellten der Talaefer AG gekostet hatte.
Als Vorsitzenden des Vorstands traf man ihn samstags häufig im Büro an. Wer viel arbeitete und dem Unternehmen eine Menge Geld brachte, durfte auch einmal mit dem entsprechenden Auto unterwegs sein, fand er. Natürlich wäre er mit dem Wagen nie bei Kunden vorgefahren. Für den Alltag existierte ein Mercedes der S-Klasse, den er je nach Lust und Bedarf selbst steuerte oder von einem Chauffeur lenken ließ.
Er sprang aus dem Wagen, schlug den
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