BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
vorne, der Mann wurde über die Kühlerhaube gegen die Frontscheibe geschleudert, kullerte seitlich hinunter, riss den Raucher mit sich. Der dritte lief neben ihnen her, versuchte, den lauthals fluchenden Bondoni aus dem Wagen zu ziehen. Manzano beschleunigte. Sah im Rückspiegel den Raucher hinter ihnen herlaufen. Der Angefahrene lag auf dem Boden. Mit einem letzten Tritt verabschiedete Bondoni den dritten und schlug die Tür zu. Manzano schaltete hoch und schoss aus der Ausfahrt, während Bondoni, der halb verkehrt auf seinem Sitz lag, sich mühselig in eine sitzende Haltung brachte.
»Was war denn das?«, fragte er atemlos.
»Moderne Wegelagerer«, antwortete Manzano, dessen Puls raste. Im Rückspiegel beobachtete er, ob die Angreifer ihnen folgten. Er fragte sich, ob er den einen schwer verletzt hatte. Musste sich aber eingestehen, dass er kein Mitleid verspürte, eher Wut über die unverschämte Attacke. Leider hatte er sich das Kennzeichen nicht gemerkt. Eigentlich sollte er sie anzeigen. Oder hatte er sich strafbar gemacht, als er einfach losgefahren war, obwohl der Mann im Weg gestanden hatte?
»Diese Bastarde«, schimpfte Bondoni. »Mein schöner Wagen. Wehe, der Idiot hat da vorn eine Delle hineingehauen!«
Hoffentlich ist dieser Stromausfall bald vorbei, dachte Manzano. Wie soll das denn weitergehen, wenn die Leute jetzt schon verrücktspielten, fragte er sich, den Rückspiegel ständig im Blick.
Berlin
Hinter den Fenstern des Baus, der das Ministerium von der Straße Alt-Moabit trennte, beobachtete Michelsen die Ankunft der schwarzen Limousinen. Der Innenminister hatte die Vorstandsvorsitzenden der wichtigsten Stromerzeuger und -verteiler in Deutschland zu einem Termin geladen. Krisensitzung hatte Michelsen es in den Telefonaten genannt. Ein Donnerwetter für die Strombosse würde es werden. Was diese auch wussten. Doch sie hatten keine Wahl. Wer nicht erschien, hatte in Zukunft mit zu großen Hindernissen aus der Politik zu rechnen. Alle kamen.
In dem kleinen Besprechungsraum hinter ihr wartete die Runde aus Ministerialbeamten, die den Kern des operativen Krisenstabs bildeten. Sie unterhielten sich oder blätterten in Unterlagen. Einige trugen dicke Jacken oder Pullover unter den Sakkos. Der Minister selbst saß in einem der Büros nebenan und telefonierte dort mit einem mobilen Satellitentelefon.
Michelsen hatte sich eine Überraschung ausgedacht. Der Minister hatte sie gutgeheißen. Statt eines Besprechungszimmers im Ministerium hatten sie kurzfristig einen Raum im Gebäude davor angemietet. Die Anwaltskanzlei hatte wegen des Stromausfalls geschlossen. Die Temperatur in den Räumen war mittlerweile auf zwölf Grad gefallen. Unter der Jacke ihres Hosenanzugs trug Michelsen lange Funktionsunterwäsche, die nicht auftrug. Selbst von ihrem Standort im dritten Stock erkannte sie die Verwirrung der Konzernleiter, als sie aus dem Auto stiegen und die Adresse suchten. Jeder von ihnen war schon öfters im Ministerium gewesen und musste denken, dass es sich bei dieser Adresse um einen Irrtum handelte. Weder Klingeln noch automatische Türöffner funktionierten. Unten empfing sie ein Beamter, der ihnen die Tür öffnen und den Weg in den dritten Stock weisen würde. Ohne Fahrstuhl, leider. Michelsen blieb am Fenster stehen, bis der Letzte im Haus verschwunden war. Mit einem leisen Lächeln schlenderte sie Richtung Tür und wartete auf das erste Klopfen.
Es dauerte ein paar Minuten. Michelsen ließ sich den Spaß nicht nehmen und öffnete persönlich die Tür. Vor ihr standen zwei Herren im besten Alter. Unter den weißen und grauen Haaren glühten rote Köpfe. Sie hatten ihre teuren Wintermäntel geöffnet. Darunter kamen ebenso teure Anzüge zum Vorschein. Aus dem Treppenhaus hörte Michelsen Schritte. Sie bat die beiden herein und wartete auf die anderen. Nach und nach erklommen die Männer die dritte Etage. Alle in dunklen Mänteln und Anzügen, Krawatten in gedeckten Farben. Der eine oder andere rang nach Atem.
»Immer herein. Sie sind richtig hier. Der Herr Minister ist schon da.«
Im Besprechungszimmer Händeschütteln. Die Ankömmlinge legten ihre Mäntel ab. Vom Aufstieg standen einigen noch Schweißperlen auf der Stirn. Nach wenigen Minuten saßen alle.
Einer der Konzernbosse, Michelsen erkannte ihn als den Vorstandvorsitzenden von E.ON, der eher fit aussah, begann seine Hände zu reiben, als wolle er sie aufwärmen. Ihn hatte der Aufstieg nicht ins Schwitzen gebracht, jetzt spürte er als
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