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BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät

Titel: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Elsberg
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Erster die Kälte.
    Als der Innenminister eintrat, erhoben sich alle.
    »Meine Herren«, begrüßte er die Gäste, »setzen Sie sich bitte.«
    Sie folgten der Aufforderung, nur ein Assistent des Staatssekretärs blieb an einem Flipchart in der Ecke stehen.
    »Wir haben heute einen etwas ungewöhnlichen Besprechungsort ausgewählt. Mangels Strom kann ich Ihnen leider keinen Kaffee oder Tee anbieten. Den Gebrauch der Toilette bitte ich Sie auf einen späteren Zeitpunkt und an einen Ort zu verschieben, wo Sie funktionierende Wasserver- und -entsorgung vorfinden.«
    Nun setzte sich der Minister ebenfalls.
    »Ich möchte, dass wir während dieser Besprechung permanent daran erinnert werden, was rund sechzig Millionen deutsche Bürgerinnen und Bürger seit vierundzwanzig Stunden durchmachen.«
    Verstohlen beobachtete Michelsen die Reaktionen der Honoratioren. Die meisten behielten unverbindlich interessierte Gesichter. Nur bei einem verzogen sich die Mundwinkel für einen Moment zu einem spöttischen Grinsen.
    »Während wir im Ministerium und Sie in Ihren Vorstandsbüros, von Notstromgeneratoren versorgt in behaglicher Wärme sitzen, kämpfen die Menschen da draußen mit Kälte, Dunkelheit, ausgefallener Wasserversorgung, fehlendem Zugang zu Lebensmitteln, Medikamenten und Geld. Sie kennen die gegenwärtige Lage.«
    Er gab dem Assistenten ein unauffälliges Zeichen. Dieser schlug das erste Blatt am Flipchart nach hinten.
    Aus irgendeinem Grund berührte der Moment Michelsen. Wo seit Jahren Hightech-Multimediaanlagen Ton und Bild an eine Leinwand geworfen hätten, bedienten sie sich nun wieder des guten alten Papiers, das eine Person auch noch händisch weiterblättern musste. Mit einem Mal erinnerte sie sich an Zeiten ohne Mobiltelefon, an Autos, die keine fahrenden Computer waren und deren verbeulte Kotflügel man mit einem Ersatzteil vom Schrottplatz reparieren konnte, an das Schreiben von Briefen und Postkarten statt E-Mails, SMS und Statusmeldungen in sozialen Netzwerken. Doch der nostalgische Augenblick ging schnell vorüber. Ihr war bewusst, dass die Organisation der modernen Welt längst auf die präzise elektronische Verwaltung im Hintergrund angewiesen war. Wie der Boden, auf dem wir jeden Tag gehen, die Luft, die wir atmen, umgibt uns allgegenwärtig ein Netz unsichtbarer Helfer, dachte sie. Ihre abschweifenden Gedanken kehrten zu dem Flipchart zurück.
    Eine Landkarte Deutschlands wurde aufgeschlagen. Sie war überwiegend rot, mit wenigen grünen Flecken.
    »Auf den Straßen, Bahnhöfen und Flughäfen herrscht Chaos. Die Wirtschaft leidet bereits unter Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe.«
    Zeichen. Nächstes Blatt. Eine große rote Zahl: –200 000 000 EUR .
    »Seit fast vierundzwanzig Stunden höre ich aus Ihren Firmen, dass bald alles wieder in Ordnung ist. Stattdessen haben die ersten Länder den Katastrophenfall erklärt.«
    Neues Blatt. Wieder eine Landkarte. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen rot.
    »Ich dachte, unsere Stromnetze seien sicher. Die Einsatzkräfte arbeiten am Rand ihrer Kapazitäten. Aus dem Ausland können wir keine Hilfe anfordern, weil es denen genauso ergeht wie uns. Dafür sind Sie verantwortlich. Ich habe die Ausreden satt.«
    Er sah jeden der Männer eindringlich an, bevor er fortfuhr: »Sagen Sie endlich, was los ist. Die Karten müssen auf den Tisch. Müssen wir bundesweit den Katastrophenfall erklären?«
    Michelsen musterte die Gesichter. Hatten sich die Vorstände abgesprochen? Vermutlich. Dann hatten sie auch eine Strategie. Oder waren sie uneins gewesen? In diesem Fall wartete jetzt jeder, dass jemand als Erster aus der Deckung kam. Blicke wurden getauscht. Ein entschlossen aussehender Mittfünfziger mit vollen silbernen Haaren, links gescheitelt, straffte sich fast unmerklich. Curd Heffgen stand einem der großen Übertragungsnetzbetreiber vor, wusste Michelsen. Außerdem war er Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, der Lobbyvereinigung der deutschen Energieindustrie. Um diese Aufgabe beneidete ihn Michelsen nicht. Der Verband war sicher einer der schwierigsten in Deutschland. Warf man der Branche doch seit Jahren Preistreiberei und Konsumentenabzocke vor. Gleichzeitig hatte sie jedoch politische Vorgaben zu erfüllen. Zudem musste kaum ein anderer Verband derart unterschiedliche Interessen bündeln und vertreten. Hatten die großen Strombetreiber eine Verlängerung der

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