BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Laufzeit für Atomkraftwerke gefordert, sahen das die kleineren Betreiber wie Stadtwerke als Wettbewerbsnachteil. Alternative Energie wurde gefördert, was die Netzbetreiber zunehmend in Schwierigkeiten brachte. Waren diese doch gesetzlich verpflichtet, den stark schwankenden Energiezufluss aus immer mehr Windparks und Solaranlagen abzunehmen, was die Stabilität der Netzfrequenz gefährdete. Keine leichte Aufgabe, alle unter einen Hut zu bringen. Und jetzt für alle sprechen zu müssen.
»Ich gebe zu«, begann Heffgen, »dass es uns bis jetzt nicht gelungen ist, größere Netzbereiche wieder zu synchronisieren.«
Respekt, dachte Michelsen. Streckt nicht nur den Helm auf einem Stecken hoch, sondern direkt den Kopf. Mal sehen, wo die Geschosse blieben.
»Was unter anderem daran liegt«, fuhr er fort, »dass es praktisch keine größeren Netzbereiche gibt. Aber auch auf regionalerer Ebene war es uns nicht möglich. Die Frequenz in den wenigen hochgefahrenen Gebieten ist zu instabil.«
Von wegen Respekt, begriff Michelsen. Der gute Mann hatte das »Wir sind nicht schuld« nur elegant eingeleitet und ihm damit die Spitze genommen.
»Vielleicht kann ein Kollege von den Stromproduzenten das erläutern.«
Gab den Stab also weiter. Allerdings einen glühenden. Wer wollte da zugreifen? Heffgen lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust als Signal, dass er genug gesagt hatte.
»Herr von Balsdorff vielleicht?«, regte der Minister an.
Der Angesprochene, etwas übergewichtig und mit großporiger Raucherhaut, benetzte mit der Zunge nervös die Lippen.
»Ähm. Es gibt mehr Probleme mit den Kraftwerken, als selbst für so einen Fall erwartet«, erklärte er. »Keiner von uns war bisher mit einer derartigen Situation konfrontiert. In den Übungen waren Ausfallraten von bis zu dreißig Prozent angenommen worden. Tatsächlich sind es mehr als doppelt so viel. Wir forschen noch …«
»Wollen Sie damit sagen«, unterbrach ihn der Innenminister gefährlich leise, »dass Sie nach wie vor für die kommenden Stunden keine Wiederherstellung der Grundversorgung garantieren können?«
Von Balsdorff sah den Minister gequält an.
»Bei uns arbeiten alle verfügbaren Kräfte. Aber garantieren können wir es für unseren Teil nicht.« Er biss sich auf die Lippen.
»Und Sie, meine Herren?«, fragte der Minister in die Runde.
Betretenes Kopfschütteln.
In Michelsen breitete sich ein Gefühl aus, das sie zuletzt vor ein paar Jahren gespürt hatte, als zwei Polizisten bei ihr geklopft und gefragt hatten, ob sie die Tochter von Thorsten und Elvira Michelsen sei. In den Gesichtern der anderen erkannte sie, dass auch sie langsam begriffen. Trotz der Raumtemperatur brach ihr der Schweiß aus, und ihr Herz begann gegen ihre Kehle zu schlagen.
Ischgl
Erleichtert und ungeduldig betrachtete Angström die tief verschneiten Berge, die rundum in den Himmel wuchsen. So kurz vor ihrem Ziel waren alle aufgekratzt und schwärmten von einem Bad, einer ordentlichen Toilette, heißem Wasser, sauberen, warmen Betten, einem Abend vor dem Kamin.
»Täusche ich mich, oder stehen die Skilifte?«, fragte van Kaalden, als sie die ersten Pisten entdeckten.
»Sieht so aus.«
»Haben auch keinen Strom.«
»Seid ihr schon einmal Touren gegangen?«, fragte Angström.
»Bloß nicht!«, rief Terbanten, »ich bin zur Erholung da.«
»Das kann wunderschön sein. Oder wir leihen uns Langlaufskier. Dafür brauchen wir auch keine Lifte.«
»Heute kommen wir ohnehin nicht mehr auf die Piste«, meinte Bondoni. »Und morgen ist der Spuk dann hoffentlich vorbei.«
Die Straße wand sich einen Berg hoch, Angström hielt Ausschau nach dem Hüttendorf, in dem sie ihr Quartier gebucht hatten. Zehn Minuten später hatten sie es erreicht. An einem steilen Hang stand ein Dutzend gemütlicher Holzhäuschen eng aneinander. Aus einigen Schornsteinen stieg Rauch. Sie stellten den Wagen auf dem kleinen Parkplatz ab, der fast voll war. An der ersten Hütte hing ein Schild mit der Aufschrift »Empfang«.
Drinnen begrüßte sie eine junge Frau in Tracht hinter dem Empfangstresen. Angström sog den Geruch von Holz in sich auf, der den Raum erfüllte. Sie erklärte, warum sie zu spät gekommen waren. Die Empfangsdame lächelte und äußerte ihre Freude, dass sie es überhaupt geschafft hatten.
»Einige unserer Gäste sind noch immer nicht da.« Sie nahm die Namen und Daten auf. »Ich zeige Ihnen Ihre Hütte.«
Sie führte sie über schmale, gestreute Pfade
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