BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
intelligenten Stromzähler«, erläuterte von Balsdorff. »Eigentlich ist er viel mehr als ein Stromzähler, er ist das Energiemanagementsystem des Hauses, macht das Heim zum Smart House.« Er zog sein Mobiltelefon hervor. »Den kann ich sogar mit dem hier steuern.«
»Oh, Sie haben hier Netz?«, fragte eine Frau erfreut.
»Nein. Aber auf kurze Distanz funktioniert das auch über Bluetooth.«
»Worüber?«, hörte Wickley die Dame ihren Nachbarn leise fragen.
Im nächsten Raum präsentierte von Balsdorff eine Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. »Auch sie produziert zeitweise mehr Strom, als ein Durchschnittshaushalt benötigt, und kann diesen ins Stromnetz einspeisen. Diese Modelle bieten unsere Partner bereits am Markt an.«
Schließlich klatschte von Balsdorff in die Hände, als wollte er eine Schar Gänse durch den Hof treiben. »So, Kinders, jetzt ist aber genug! Wir sind doch nicht zum Arbeiten hier!«
Die Gäste zogen wieder nach oben ab. Aus dem Augenwinkel entdeckte Wickley, wie in der Halle neue Gäste eintrafen. Ein Mann des Personals, der sie empfing, nickte kurz, nachdem sie mit ihm gesprochen hatten, ging zu von Balsdorff, der als Letzter aus dem Keller gekommen war. Er flüsterte dem Hausherrn etwas vertraulich zu, dieser folgte ihm zu den Neuankömmlingen. Dann schickte er den Bediensteten mit einer Handbewegung fort, die besagen sollte, dass er auch die übrigen Gäste wieder ins Wohnzimmer führen sollte. Irgendetwas an den Männern wirkte auf Wickley seltsam. Sie sahen nicht wie Gäste aus. Er hielt sich abseits und beobachtete die Szene von der anderen Seite der Eingangshalle. Die zwei Männer hatten ihre Mäntel nicht ausgezogen. Eindringlich redeten sie auf von Balsdorff ein. Dieser hörte zu, nickte mehrmals. Sie verließen das Haus, um gleich darauf mit zwei schweren Koffern zurückzukehren. Von Balsdorff führte sie zu einer Tür neben der Treppe. Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs konnte Wickley sein Gesicht sehen. Dessen Farbe unterschied sich nicht von den weißen Wänden der Villa. Der vor wenigen Minuten noch gesund gebräunte Vorstand wirkte um zehn Jahre gealtert.
Ein paar Minuten blieb er hinter der Tür, dann trat er allein wieder heraus und kehrte zu seinen Gästen ins Wohnzimmer zurück. Wickley folgte ihm.
»Arbeit auch am Wochenende?«, fragte er scherzhaft.
»Wie? Ach …« Von Balsdorff winkte ab. »Sie wissen ja, wie das ist.«
Von Balsdorff mischte sich unter die Gesellschaft, Wickley sah ihn wieder verbindlich lächeln, interessiert zuhören, scherzen. Nur seine Gesichtsfarbe blieb, als hätte er gerade vom Tod seiner Kinder erfahren.
Den Haag
Mithilfe von Bollards Stadtplan brauchte Manzano tatsächlich nur zehn Minuten zur Europol-Zentrale. Im Hotel hatte man ihm einen Regenschirm geliehen. Auf dem Weg dachte er noch einmal über die seltsame Entwicklung der Dinge nach. Am meisten beschäftigte ihn die Frage, warum Europol ihn geholt hatte. Sein alter Ruf als Hacker schien ihm dafür zu wenig. Von seinen Aktivitäten seit der Verurteilung sollten sie wenig bis nichts wissen. Natürlich mutmaßte Bollard richtig, wenn er annahm, dass Manzano seither nicht untätig gewesen war. Ziemlich erfolgreich sogar. Nur hatte er sich eben vorsichtiger verhalten. Auch die Entdeckung des Codes hielt er für kein ausreichendes Motiv. Seine Überlegungen führten zu keinem Ziel, und seine Gedanken schweiften ab. Er dachte an Sonja Angström. Ob sie gut nach Brüssel gelangen würde?
In dem Gebäudekomplex bemerkte er nichts vom Stromausfall. Aus einigen Fenstern strahlte Licht in den grauen Tag. Geschäftige Menschen liefen über Höfe und durch die Hallen. Manzano meldete sich am Empfang. Bollard holte ihn persönlich ab.
Während sie mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock fuhren, fragte Bollard ihn – wie immer auf Englisch: »Haben Sie etwas gegessen?«
»Ja, im Hotel gab es Fisch mit Kartoffeln.«
»Und wie ist das Quartier?«
»Fließend Warmwasser, Heizung, sogar Fernsehen. Ich kann mich nicht beklagen. Nur die Kleiderfrage muss ich noch lösen.«
»Sagen Sie mir Ihre Konfektionsgröße und was Sie ungefähr wollen. Ich kümmere mich darum.«
Manzano war kein Fashion-Addict, doch der Gedanke, dass ein Fremder Kleidung für ihn aussuchte, gefiel ihm nur bedingt. Vielleicht aber nur, weil es ihn an Kindheitstage erinnerte, als seine Mutter das für ihn getan hatte.
Bollard führte ihn in ein nagelneues Büro. Manzano roch noch die Ausdünstung der
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