BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Papa. Ich habe Maman schon einiges erklärt. Wahrscheinlich kommen euch die Doreuils besuchen. Was ich dir jetzt sage, behandle bitte sehr vertraulich. Geht morgen früh so bald wie möglich zur Bank und hebt so viel Bargeld ab, wie ihr bekommen könnt. Ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen, aber sieh zu, dass du deine Flinten feuerbereit und ausreichend Munition hast.«
Manzano traute seinen Ohren nicht. Bollards Gesprächspartner offensichtlich auch nicht. Der Franzose hielt inne, als sein Vater am anderen Ende der Leitung etwas sagte.
»Ich sage nur, dass du vorbereitet sein sollst. Aber erzähl Maman und den Doreuils nichts davon. Hoffen wir, dass meine Sorgen unberechtigt sind. Ich liebe euch, salut.«
Manzano betrachtete Bollard voller Sorge. Für ihn sah der Mann nicht wie jemand aus, der zu seinen Eltern ohne Weiteres »Ich liebe euch« sagte. Er fragte sich, was für Nachrichten Bollard erhalten haben mochte. Dieser wählte inzwischen eine neue Nummer. Wieder redete er auf Französisch. Nach ein paar Sätzen begriff Manzano, dass er mit seinem Schwiegervater sprach. Die Unterhaltung verlief nicht ganz so flüssig. Manzano reimte sich aus Bollards Bemerkungen seinen Teil zusammen.
»Fahrt zu meinen Eltern nach Nanteuil. Sie erwarten euch.«
- - -
»Stellt jetzt keine Fragen, bitte. Tut es einfach. Sobald wie möglich.«
- - -
»Diesmal kommt auch bei euch der Strom nicht so schnell wieder.«
- - -
»Packt genug warme Kleidung ein. Es könnte ein paar Tage dauern. Vielleicht länger.«
- - -
Ungeduldig: »Ja! Vielleicht sogar eine Woche oder mehr.«
- - -
»Meine Eltern können mit Holz heizen, haben einen eigenen Brunnen und ein paar Hühner.«
- - -
»Seht zu, dass ihr bei einem Bankautomaten noch möglichst viel Bargeld bekommt, falls ihr einen findet, der funktioniert.«
- - -
»Ja! Und wenn ihr keinen findet, geht sofort morgen früh zur nächsten Bank bei meinen Eltern und hebt dort ab, was ihr kriegt.«
- - -
»Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Vertrau mir. Aber sag es nicht weiter. Und seht zu, dass ihr aus Paris wegkommt, bevor andere das auch wollen.«
- - -
»Ihr und den Kindern geht es gut, keine Sorge. Ich umarme euch.«
Er legte auf. Sein Gesicht wirkte bleicher und zerfurchter als zuvor. Mit verlegener Miene sah er Manzano an.
»Zeit für unseren Termin. Gehen wir.«
Den Besprechungsraum beherrschte ein langer ovaler Tisch. An einer Wand hingen sechs Großbildschirme. Die meisten Anwesenden waren Männer, Manzano entdeckte nur drei Frauen. Bollard zeigte ihm seinen Platz und ging weiter an einen anderen, direkt unter den Monitoren.
Manzanos linker Nachbar war ein untersetzter Mann Anfang fünfzig. Auf seiner runden Nase trug er eine große Brille mit Goldrand, darunter einen buschigen Schnurrbart. Auf Englisch stellte er sich als Jan Lenneding vor, tätig bei Europol.
Zu seiner Rechten saß ein etwas Jüngerer mit scharfen Gesichtszügen. Triathlon, dachte Manzano, oder Ironman. Er arbeitete ebenfalls für die Behörde.
Manzano erklärte, er sei als Berater engagiert, wofür er überraschte Blicke erntete.
»Guten Tag, meine Damen und Herren.«
Bollard war aufgestanden, sprach Englisch.
»Wenn man einen solchen Tag gut nennen kann.«
Er hielt eine kleine Fernsteuerung in der Hand. Auf dem Großbildschirm über ihm erschien eine Europakarte. Der Großteil des Kontinents war rot eingefärbt. Norwegen, Frankreich, Italien, Ungarn, Rumänien, Slowenien, Griechenland und zahlreiche kleine Regionen in anderen Ländern trugen eine rot-grüne Schraffur.
»Dieser Raum ist bis auf Weiteres unsere Einsatzzentrale. Wofür, das werde ich Ihnen gleich erklären: Seit bald achtundvierzig Stunden sind weite Teile Europas ohne Strom, wenn auch manche Gebiete eine zeitweise Grundversorgung zurückerlangten. Sie sind auf der Karte schraffiert eingezeichnet. Spätestens seit heute Vormittag wissen wir, dass es sich dabei nicht um einen Zufall handelt. In der Nacht bereits erhärtete sich der Verdacht, dass in Italien und Schweden ein Code in die Smart Meter der Privathaushalte eingeschleust wurde.«
Manzanos schnurrbärtiger Nachbar beugte sich zu ihm und flüsterte: »Sind wohl doch nicht so intelligent, diese smarten Stromzähler.«
»Nun erklären Manipulationen in den Netzen zweier Länder noch nicht den Zusammenbruch auf weiten Teilen des Kontinents. Bei früheren Krisen wurden instabile Systeme abgetrennt, und der Rest konnte innerhalb weniger Stunden stabilisiert
Weitere Kostenlose Bücher